Wer hat das Rind zur Sau gemacht?
vielbeschworene Bio-Bodenhaltung von Legehennen ist nicht das Gelbe vom Ei. Wenn die Hühner in der Einstreu und damit auch im Kot ihrer Artgenossen scharren und picken, dann steigt der Infektionsdruck. Die Stallluft ist voller Keime und gefährdet die Mitarbeiter. Ohne Medikamente ist diese Produktionsweise zum Scheitern verurteilt. Bei Freilandhaltung kommen die Krankheitserreger und Parasiten von Vögeln, Ratten und Mäusen hinzu, die sich gern am öffentlich zugänglichen Futterangebot der Hühner verköstigen. Der Durchseuchungsgrad mit
E. coli
und
Campylobacter jejuni
ist erschreckend, aber auch längst besiegt geglaubte Geflügelkrankheiten wie der Rotlauf kehren zurück. Zumindest die Artenvielfalt der Krankheitserreger nimmt wieder zu. 6,32
Das zweite Problem ist der Kannibalismus. Von Natur aus leben Hühner in einer Kleingruppe, in der eine Hackordnung ausgefochten wird. Bei großen Gruppen verlieren die Tiere das soziale Gefüge und stehen unter immensem Stress, der sich auch in Aggressionen gegen die Artgenossen entlädt. Das erklärt die hohen Tierverluste. 5,37 Die beste Haltungsform ist momentan die Kleingruppen-Käfighaltung. Die Tiere haben mehr Bewegungsraum, bilden eine soziale Gruppe mit überschaubarer Hackordnung, und die Volieren haben ein geringeres Infektionsrisiko. Sie ist aber politisch nicht mehr gewollt, weil die Tierschützer diese Haltungsform ablehnen. Volieren ja – aber nur für die eigenen Wellensittiche. Für die Hühner ist der Misthaufen, aus dem die Tierschutzideologie dampft, das einzige akzeptable Habitat.
Tiere in Freilandhaltung leiden regelmäßig unter Parasiten und müssen entwurmt werden; auch Milben müssen regelmäßig bekämpft werden und bei Bedarf auch allerlei anderes Kleinvieh. Dagegen helfen nur Antiparasitika, ziemlich heftige Medikamente. Die Ökoverordnung hat diese Mittel flugs aus der Sparte der Medikamente entfernt und bei den Impfungen eingruppiert, um den breiten Einsatz im Biobereich zu legalisieren. 10 Bei den Antibiotika gibt es jedoch Einschränkungen gegenüber der konventionellen Produktion. Erlaubt sind nur zwei Antibiotikabehandlungen pro Jahr.
Und was ist, wenn diese nicht ausreichen? Dann werden weitere Antibiotika-Gaben als «Nachbehandlung» gewertet. Das ist legal. Im Biobereich werden heute nicht weniger, sondern mehr Medikamente als in der konventionellen Tierhaltung eingesetzt – vor allem, um Hygiene- und Haltungsmängel auszugleichen. Alternative Behandlungsmethoden, die wirklich wirken, sind kaum vorhanden. Da jedoch für Biofleisch mehr bezahlt wird, lassen sich höhere Tierverluste leichter ausgleichen.
Extensive Haltungsformen beim Vieh bedeuten letztlich unnötigen Ressourcenverbrauch. Beispiel Schweinemast: In modernen Anlagen nehmen die Tiere zwischen 800 und 1000 g pro Tag zu, auf einem Demeterhof sind es gerade mal 400. 1,43 Die Mastdauer verlängert sich dadurch natürlich. Die schlechtere Futterverwertung bedingt auch mehr Gülle, einen höheren Wasserbedarf und einen größeren Flächenverbrauch, um das Mehrfutter anzubauen. Das ist fast so wie bei den Automotoren: Früher brauchten die meisten Pkws um die 10 Liter Benzin pro 100 km. Heute schaffen es viele mit der Hälfte, sind dabei noch schneller am Ziel und produzieren entsprechend weniger Abgase. Langsameres Wachstum von Schweinen bei extensiver Mast belastet die Umwelt stärker als die heute übliche Intensivmast. 40 Die schlechte Ökobilanz ist faktisch das ideelle Ende des Ökolandbaus.
Wo kommt das viele Bio her?
Bisher ging es um die systemimmanenten Probleme der Bioszene. Daneben kommt immer wieder die Frage nach der Zuverlässigkeit der Branche auf. Das Problem ist dort wohlbekannt. Das Biofachblatt
Ökologie & Landbau
fordert für «Risikobetriebe» öfter mal «unangekündigte» Kontrollen. Anlass sind gravierende Betrugsfälle, die dem staunenden Leser einen deutlichen Wink geben, wie die Flut an Bioprodukten in den Supermärkten zu verstehen ist: «Der letzte und aufgrund seiner Dimension besonders erschütternde Betrugsfall war der des Bio-Geflügelpioniers B. F., in dessen Verbandsbetrieben jahrelang in erheblichem Umfang verbotene konventionelle Futtermittel eingesetzt wurden und in dessen Handelsunternehmen vermutlich auch konventionelles Geflügelfleisch zu Öko-Ware umdeklariert wurde.» Der Fall war also Insidern schon länger bekannt. Aber Schweigen ist bekanntlich Gold.
Der nächste Fall betrifft einen Verbund, der Bioschweine erzeugte.
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