Wer hat das Rind zur Sau gemacht?
Lebensmittel ausgeben und alles werde wieder gut. Die «Geiz ist geil»-Mentalität des Kunden sei die wahre Ursache der Lebensmittelskandale. Der Verbraucher ist nicht schuld – er ist nur der arme Schlucker, der die Suppe auslöffeln darf, die ihm unter der Schirmherrschaft der Lebensmittelüberwachung eingebrockt wird. Der Verbraucher ist der einzige Marktteilnehmer, der – sofern er einen ehrlichen Beruf erlernt hat – keine Ahnung von der Lebensmittelproduktion hat und auch nicht haben kann.
Plappern gehört zum Handwerk
Da Essen etwas Alltägliches ist, fühlen sich andererseits immer mehr Menschen zu «Lebensmittel-Experten» berufen, ohne über die nötige Qualifikation zu verfügen. In Presse, Funk und Fernsehen werden auf Ernährungsthemen (aus Kostengründen) zunehmend junge, ehrgeizige Leute angesetzt. Sie sollen sich innerhalb weniger Stunden ein Spezialwissen aneignen, das ohne Grundkenntnisse nicht zu haben ist. Das sehen die Verantwortlichen aber nicht als Nachteil an, soll der Rechercheertrag doch so stark vereinfacht sein, dass «jeder» ihn begreifen kann. Fachwissen wäre da nur störend. Inhalte, die mehr als 30 Sekunden Erklärungszeit benötigen, schaffen es gar nicht erst ins Programm.
So verwandeln sich schnell pseudo-logische Botschaften in gesicherte Tatsachen: Je mehr Geld der Verbraucher für seine Lebensmittel ausgebe, desto ehrlicher würden Hersteller wie Handel. Heilige Einfalt! Natürlich weiß der Bürger, dass ein höherer Preis keine Garantie für bessere Qualität ist. Er ahnt, dass er damit wahrscheinlich nur die Taschen der Gammel-Dealer füllt. Im Gegensatz zu seinen «Verbraucheranwälten» hat der Verbraucher längst begriffen, dass er keine Ahnung hat, was da alles zusammengerührt wird. Sein einst blindes Vertrauen in die Lebensmittelqualität ist perdu. Was macht ein Mensch, der einer ganzen Branche misstraut, aber irgendetwas kaufen muss, weil er nicht umhinkommt, zu essen? Er kauft das, was am billigsten ist.
Dabei erfährt er jeden Tag aus plapperndem Expertenmund, dass Essen per se «ungesund» ist. Es fehle an «wertvollen» Spurenstoffen, dafür seien aber versteckte Dickmacher drin, sogenannte Kalorien, gefolgt von Ultragiften wie Cholesterin und Dioxin. Jedes Vitamindöschen, das die Kundin neben den Salat oder die Lakritzschnecken in den Einkaufswagen legt, besagt nicht mehr oder weniger, als dass die Nahrung aus ihrer Sicht mangelhaft ist, dass sie davon alt, krank und hässlich wird. Wer aber davon überzeugt ist, seine Nahrung sei mangelhaft – das ist ja eine der zentralen Botschaften unserer Ernährungsaufklärer –, der gibt dafür natürlich kein Geld mehr aus. Sein Vertrauen wird Tag für Tag aufs Neue von den Medien untergraben. Entsprechend sinkt die Preisbewilligungsbereitschaft. Wer Esssünden begeht und glaubt, dafür büßen zu müssen, ist schnell bereit, sich vor zu viel Dioxin im Fleisch zu fürchten. Das «Ultragift» ist die gerechte Strafe.
Das Geld, das der Deutsche beim Essen spart, landet mitnichten am Strand von Mallorca. Die Menschen geizen, weil ihr Vertrauen dahin ist. Warum soll ich mir ein edles Steak gönnen, wenn ich davon Schuldgefühle bekomme? Dann tut’s auch was Günstigeres. Das eingesparte Geld entspricht – das legen zumindest die wenigen vorhandenen Daten nahe – in seiner Größenordnung den wachsenden Ausgaben für Nahrungsergänzungsmittel. Die werden im naiven Glauben geschluckt, man könne damit am Strand eine «gute Figur» machen, eine Figur, die sonst dem Verzehr von Wurstsemmeln oder Sahneschnittchen zum Opfer gefallen wäre.
Denn sie wissen nicht, was sie kaufen
Auf ihren Kongressen beklagen die Marketingfachleute, dass sie das Einkaufsverhalten des Verbrauchers nicht mehr verstünden, ja es sei inzwischen «völlig irrational». Ein wenig mehr Selbsterkenntnis stünde den Verantwortlichen gut zu Gesicht. Denn dieser Personenkreis sieht es als seine vornehmste Aufgabe an, durch Vortäuschung falscher Tatsachen die Preisbewilligungsbereitschaft der Kundschaft zu erhöhen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die reflexartige Klage wohl eher jene Ursachen verschleiern soll, die das Marketing selbst zu verantworten hat. Die meisten Verbraucher kaufen exakt so ein wie ein handelsüblicher Werbefuzzi auch.
Inzwischen wissen beide Seiten, dass die Marketingbotschaften dummes Zeug sind; die Kunden haben kapiert, dass Käse nicht von Mönchen in Handarbeit gerollt und per Pferdedroschke in
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