Wer hat das Rind zur Sau gemacht?
gutachterlich tätig sind, sind uns die Hände gebunden … Wenn ich Zweifel habe, möchte ich wenigstens eine Probe ziehen dürfen.» 3
Für die Medien ist das meist kein Thema. Sie kämpfen ja nicht für besseres Fleisch, sondern für den Verzicht auf Fleisch. Und so ganz nebenbei wissen wir jetzt auch, warum die Skandale der Vergangenheit durch anonyme Anrufer, verschmähte Liebhaber, Zollfachleute, Pilzsammler (die im Unterholz verdächtige Akten fanden) oder aufmerksame Journalisten aufgedeckt wurden – und nicht durch die Veterinärbehörden.
General ohne Armee
Es ist unabdingbar, die deutsche Lebensmittelüberwachung neu zu strukturieren – egal ob sie Salat, Steaks oder Muscheln überwachen soll. Die Bundesagrarministerin Ilse Aigner ist in derselben Situation wie ein General ohne Armee, der tatenlos zusehen muss, wenn die «Kontrolle» versagt. Zu sagen hat die Ministerin eigentlich nichts, sie darf lediglich ihren Kopf für das Versagen ihrer Kollegen hinhalten. Lebensmittelüberwachung ist nun mal Ländersache. Das Berliner Verbraucherschutzministerium ist primär für die Sonntagsreden zuständig.
Das Vorgehen der EU , die Lebensmittelüberwachung in den einzelnen Staaten punktuell zu überprüfen, hat sich dagegen als segensreich erwiesen. Die Ergebnisse werden im Internet veröffentlicht – und sie können manchmal ziemlich derb ausfallen, trotz aller diplomatischen Formulierungen. Dabei mangelt es nicht an Kritik an der Lebensmittelkontrolle vor Ort sowie an der Verwaltung – das gilt auch und gerade für Deutschland. Dem Fachpersonal in den einschlägigen Labors bescheinigen die EU -Kontrolleure gewöhnlich eine vorbildliche Arbeit.
Worin besteht aber der Unterschied zwischen der Kontrolle und den Labors? Die Fachleute aus den Labors – meist Lebensmittelchemiker, die auch das Lebensmittelrecht kennen – sieht der Staat ungern bei Kontrollaufgaben vor Ort. Dies überlässt er lieber Personen, die mit dieser Materie eher weniger vertraut sind. So wurde in NRW für Zwecke der Lebensmittelüberwachung eine größere Anzahl von Hilfskräften, beispielsweise Waldarbeiter aus Forstbehörden, rekrutiert. 1 Noch Fragen?
Die Lebensmittelüberwachung gehört in die Hände von Fachkräften, die eine ebenso fundierte Ausbildung haben sollten wie die Mitarbeiter eines Unternehmens, die für die Produktion verantwortlich sind – gewöhnlich Lebensmitteltechnologen, -chemiker und -juristen. Zudem benötigen wir – in Zeiten des organisierten Panschens auf internationaler Ebene – nach dem neuesten Stand der Technik ausgestattete Labors mit vernetzter Datenerfassung. Bisher werden ob der verschiedenen Zuständigkeiten Akten vielfach über Monate hin und her verschickt, bis die Beanstandung erfolgt. Dann ist der ganze Gammel bereits verkauft, so vermied man bisher Rückrufaktionen.
Um einen Überblick über die Skandal-Baustellen zu erhalten, betreibt die EU ein Schnellwarnsystem («rapid alert system» RASFF ), das den Behörden eine grenzüberschreitende Kontrolle von gesundheitlich riskanten Lebensmitteln ermöglichen soll. 4 Die Meldungen werden von den Mitgliedsstaaten ins Netz gestellt. In Deutschland ist dafür das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zuständig, das diese Meldungen auf seiner Homepage zur Verfügung stellt. Auf diese Weise erhält auch der Bürger einen Überblick über die quasi amtlichen Lebensmittelskandale.
Da könnten sich die Medien bei Bedarf nach Lust und Laune bedienen. Dennoch gibt es bisher praktisch keine Verbindung zwischen diesen durchaus realen Problemen und den «Lebensmittelskandalen» in Presse, Funk und Fernsehen. Natürlich soll so manches, was die Lebensmittelüberwachung aufdeckt, nicht an die große Glocke gehängt werden und fällt in dem System nicht unbedingt auf. Zudem ist nicht alles, was da gemeldet wird, auch tatsächlich relevant, und manches davon verleitet eher zum Schmunzeln. Dennoch ist das Ganze eine Fundgrube. 2011 wurden monatlich etwa 500 Meldungen eingestellt. Wenn man die Dopplungen weglässt, so bleiben immer noch 200 Skandale und Skandälchen. Zehn pro Werktag.
Schauen wir doch mal rein: Im Angebot ist britisches Bier mit Glasscherben drin, deutsche Heilerde mit Dioxin, Noroviren in Himbeeren aus Serbien, Bazillen in deutschem Geflügeldöner und in irischen Rinderhacksteaks, Hepatitis-A in Datteln aus Algerien, Cadmium in Pferdefleisch aus Polen – die Pferde wurden allerdings erst in Italien
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