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Wer hat das Rind zur Sau gemacht?

Wer hat das Rind zur Sau gemacht?

Titel: Wer hat das Rind zur Sau gemacht? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Pollmer , Andrea Fock , Monika Niehaus , Jutta Muth
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nicht schwer, den passenden Typus von gastronomischem Betrieb zu erahnen, der ein Näschen dafür haben könnte. Es ist nur selten die Würstchenbude um die Ecke. Ein anderer Vertriebsweg nutzt Kantinen, vor allem die, in denen mit spitzestem Bleistift gerechnet wird und der Betrag, den der Verwaltungsleiter zur Verköstigung der Insassen zur Verfügung stellt, selbst hartgesottenen Einkäufern von Supermarktketten Tränen in die Augen treibt. In Krankenhäusern muss die Krankenkasse für manch ein Bett pro Tag 1000 Euro löhnen; darin sind dann 2,17 Euro für die Ganztagsverpflegung des Patienten enthalten.
    Beim jenem «Gammelfleisch», das aufmerksame Journalisten in Supermärkten aufstöberten, handelte es sich wieder um etwas anderes. Hinter den Umpack-Aktionen steckten meist Marktleiter, die das Fleisch, das sie für gutes Geld eingekauft hatten, aber nicht rechtzeitig an den Käufer bringen konnten, neu einschweißten und mit neuem Mindesthaltbarkeitsdatum versahen. Die Ware war deshalb nicht unbedingt verdorben, aber auch nicht mehr frisch verpackt – und genau das erwartet der Verbraucher an der Kühltheke.
    «Gammelfleisch» ist ein schillernder Begriff, er umfasst traditionell gereifte Qualitätsware ebenso wie umetikettierte, aber auch überlagerte oder gar verdorbene Ware. Das Risiko für den Verbraucher ist in der Regel gering, denn Würste oder Schnitzel werden meistenteils vor dem Verzehr erhitzt, sodass riskante Keime, die sich womöglich während der Lagerzeit vermehrt haben, abgetötet werden. Dennoch wird der Kunde über die wahre Beschaffenheit getäuscht. Und wahrscheinlich würde er die Ware nicht mehr essen, wenn er wüsste, dass sie überlagert ist.
    Im Falle von «Gammelgemüse» ist das Risiko für den Kunden ungleich höher, denn Salate und andere Gemüse werden gern als Rohkost genossen. Nichts gegen die mediale Empörung über Gammelfleisch – wenn nicht die gleichen Redaktionen, die im Abendprogramm ihr Gammelfleisch- TV zelebrieren, denselben Tatbestand bei Gemüse ganz anders werten: Da beklagen sie sich stattdessen darüber, dass das Gemüse von gestern bei der Ankunft der nächsten Lieferung weggeworfen wird, obwohl es ja noch essbar wäre. Dies sei eine bodenlose Verschwendung und trage zum Hunger in der Welt bei … Ihr Heuchler!

Schuld ist immer der Kunde
    Treiben auf dem Lebensmittelmarkt skrupellosere Gestalten ihr Wesen als in anderen Branchen? Nein, denn letztlich müssen sich alle Hersteller – ob sie nun Kopiergeräte, Kondome oder Knackwürste produzieren – an die Spielregeln des Wettbewerbs halten. Bloß: Werden die Missbräuche gewisser Wettbewerber nicht geahndet, dann muss sich die Branche über kurz oder lang an deren Vorgaben orientieren. Nun wird der «Wettbewerb» letztlich vom Oligopol der Handelsketten bestimmt. Deren Einkäufer – und nicht die Hersteller oder gar die Verbraucher – entscheiden über den Preis. Was heißt entscheiden? Sie diktieren ihn. In den «Jahresgesprächen» wird den Lieferanten eröffnet, zu welchem Preis sie ihre Waren im kommenden Geschäftsjahr am Zentrallager abzuliefern haben.
    Die Hersteller stehen vor der Wahl, die neuen Konditionen zu akzeptieren und die Rezeptur anzupassen oder die Produktion einzustellen – denn ohne die Handelshäuser gibt es keinen Verkauf. Lassen Sie sich bitte nicht von den vielen Namen irritieren, von dem harten Konkurrenzkampf direkt vor Ihren Augen: Häufig gehören diese Unternehmen demselben Besitzer oder Finanzkonglomerat. Der «Preiskampf» ist eine Inszenierung, die auf dem Rücken der Lieferanten ausgetragen wird.
    Die Art und Weise, wie auf die Lieferanten Pressionen ausgeübt werden, ist nicht selten unappetitlicher als Gammelfleisch. So nahm beispielsweise ein namhaftes Handelshaus die an sich völlig belanglose Beförderung eines Familienmitglieds in der Firmenhierarchie zum Vorwand, um rückwirkend die Überweisung von zwei Prozent des Gesamtumsatzes zu fordern, den die Lieferanten mit diesem Unternehmen getätigt hatten. Das entspricht in etwa dem Gewinn des Lieferanten. Selbst «Multis» wie Nestlé oder Unilever sind – auch wenn sie es nicht gerne hören – für die Handelsketten genauso austauschbar wie ein Kotflügellieferant für einen Automobilkonzern.
    Doch der Handel wäscht seine Hände in Unschuld. Er reicht den Schwarzen Peter reflexartig an den Kunden weiter. In den Medien gehört es schon längst zum guten Ton, vom Verbraucher zu fordern, er müsse mehr Geld für

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