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Wer hat das Rind zur Sau gemacht?

Wer hat das Rind zur Sau gemacht?

Titel: Wer hat das Rind zur Sau gemacht? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Pollmer , Andrea Fock , Monika Niehaus , Jutta Muth
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einzelnen Tieren trotz identischen Futters und gleicher Umweltbedingungen unterschiedlich aus. Wie sollen da Empfehlungen für die bunte Vielfalt unter den Menschen funktionieren, die, genetisch betrachtet, als Promenadenmischung firmieren? Unsere Lebensweisen sind so unterschiedlich und individuell, dass sich jeder Mensch zwangsläufig anders ernährt, so wie ein Franzose anders frühstückt als eine Finnin. Bereits Sommer und Winter haben erhebliche Einflüsse auf den Nährstoffbedarf, die sich durch ganz unterschiedliche Speisenfolgen und -mengen in der Volksküche manifestieren.
    Zudem errechnet die chemische Analytik, auf der unsere Nährwerttabellen beruhen, etwas völlig anderes als das, was unser Verdauungstrakt verwertet. Der Chemiker misst, was in einem Produkt enthalten ist, aber nicht das, was unser Körper davon aufnehmen kann. Nicht einmal der Kaloriengehalt unserer Lebensmittel ist bekannt – es handelt sich um Schätzungen oder, besser gesagt, um Phantasiezahlen, die Exaktheit vortäuschen sollen. Schon allein deshalb, weil die Ausscheidungen ja wieder von der Zufuhr abgezogen werden müssten. Aber das ist nicht einmal theoretisch möglich, da die Fäzes nur zu einem unbedeutenden Teil aus unverdaulichen Speiseresten bestehen; den größten Prozentsatz machen Darmflora und abgeschilferte Darmzellen aus. Zudem findet ja im Körper gerade keine «Verbrennung» statt wie in einem Ofen. Stroh liefert beim Verbrennen im Labor im Kalorimeter reichlich Kalorien – nur nicht beim Verdauen.
    Die Lebensmittelampel soll offenbar das Stroh in den Köpfen entflammen und die Vorstellung bedienen, der Erfolg eines Menschen lasse sich durch die Auswahl seiner Nahrung regeln. Sie ist allenfalls ein Grund, die roten Warnlampen aufblinken zu lassen, wenn wieder einmal ungebetene Ernährungstipps zuteilwerden.
     
    Der Umstand, dass es der europäischen Lebensmittelindustrie gelang, durch ihre Lobbyarbeit in Brüssel die Einführung der Ampel zu verhindern, erfüllt die Branche zwar mit Befriedigung, aber das Lachen ist ihr mittlerweile vergangen. Denn den Medien ist die Meinung der EU egal – sie urteilen bei Warentests vielfach nach den Vorstellungen der Ampelanhänger. Das ist natürlich ihr gutes Recht, sättigende Mahlzeiten auf den Index zu setzen – ob dies auch legitim ist, steht auf einem anderen Blatt. Für den Hersteller bedeutet eine «Abwertung» bekanntlich Absatzeinbußen. Und die drohen nun, wenn die Salzbrezeln ordentlich mit Salz bestreut sind oder weil die Eiernudeln mit richtigen und damit cholesterinhaltigen Eiern hergestellt werden.
    Aus diesen bitteren Erfahrungen haben die Hersteller mittlerweile die Konsequenzen gezogen. Sie überarbeiten ihre Rezepturen, um bei Tests bestehen zu können. Auch sie wissen, dass ein richtiges Cordon bleu vor roten Warnlämpchen strotzt: lauter Kalorien, Fett, Cholesterin, Salz. Soll man uns doch einen Storch braten, wenn es nicht möglich wäre, das Ganze ergrünen zu lassen. Man nehme Hühnerklein und forme daraus mit viel Wasser, etwas Phosphat und ein klein wenig Transglutaminasen ein saftiges «Hähnchenschnitzel». Statt Schinken gibt’s verwässerte «Vorderformfleisch»-Gebilde. Und der «Käse» ist ein echter Analog-Käse aus Caseinaten als Gerüstbildner, Hydrocolloiden, Wasser, Emulgatoren, Farbe und Aromen. Und ab mit dem Wunderwerk in die Tiefkühltruhen der Discounter.
    Das Hähnchen-Cordon-bleu hat jetzt nur noch halb so viele Kalorien, ist praktisch frei von tierischen Fetten und Cholesterin, enthält nur wenig Salz, und der Eimer Wasser, den wir jeden Tag saufen sollen, ist auch schon drin. Für eine kalorienbewusste Kundin ist das Produkt einfach sexy: Es strotzt vor grünen Punkten.
    Alles, was nahrhaft ist, wird durch chemische und physikalische Kunstgriffe, durch Wasser, Luft und Füllstoffe ersetzt. Als zusätzliches Plus ist das Machwerk deutlich billiger in der Herstellung. Mit der Lebensmittelampel hat sich die Idee vom geilen Geiz selbst übertroffen. Und damit sorgt man ein weiteres Mal für Extraumsatz. Denn der Körper des Menschen rechnet mit. Er zählt präzise die Kalorien oder auch den Fettgehalt. Je «gesünder» das Mittagsmenü, desto begehrter sind am Nachmittag die süßen Teilchen aus der Cafeteria. In den Espresso kommt dann zur Gewissensberuhigung ein wenig Süßstoff.

Die Essensverfälscher
    Die Ampel verschafft auch den Zusatzstoff-Lieferanten Extraumsätze. Denn mit ihrem breiten Angebot an Aromen,

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