Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer hat das Rind zur Sau gemacht?

Wer hat das Rind zur Sau gemacht?

Titel: Wer hat das Rind zur Sau gemacht? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Pollmer , Andrea Fock , Monika Niehaus , Jutta Muth
Vom Netzwerk:
Salbei –, dann wäre unser Essen fürderhin so fade wie Tapetenkleister. Denn ohne Ausnahme enthalten sie Stoffe, die aus Reagenzglas- oder Tierversuchen als «krebserregend», «erbgutschädigend» oder als «endocrine disrupters» bekannt sind, Letztere sind Stoffe, die in den Hormonhaushalt eingreifen. Dieser Befund ist nicht weiter erstaunlich, denn ätherische Öle und Aromastoffe sollten ja ursprünglich nicht die Nase des Menschen erfreuen oder Sterneköchen zum Umsatz verhelfen, sondern Fressfeinde davon abhalten, die Pflanzen mit Stumpf und Stiel zu verputzen.
    Deswegen gelten viele davon auch als wirksame Arznei. Und darum werden Gewürze in der Küche überhaupt eingesetzt. Sie wirken antibiotisch, antiparasitär, regen Verdauungssäfte an, fördern die Aufnahme erwünschter oder die Ausscheidung unerwünschter Bestandteile der Lebensmittel, und, und, und. Genau deshalb werden sie aber auch sparsam eingesetzt, denn da macht bekanntlich die Dosis das Gift. So manch ein Gewürz ist für den Menschen sogar akut toxisch: Gerade einmal 15 Gramm Safran oder Muskat können bereits zum Tode führen. Sie sind damit giftiger als viele Pflanzenschutzmittel, über die so viel Aufregung herrscht, wenn sich Milligrammbruchteile als Rückstand in Paprikapulver finden.
    Trotzdem ist die Gefahr, eine akute Gewürzvergiftung zu erleiden, verschwindend gering: Denn wer von uns würde Kartoffelbrei mit 15 Gramm Muskat herunterwürgen? Wer könnte ein Risotto milanese mit 15 Gramm Safran überhaupt bezahlen, falls es ihm – was mehr als unwahrscheinlich ist – denn schmecken würde? Legte man die üblichen Verbraucherschutzmaßstäbe zugrunde, wären diese Gewürze dann genauso wie Zimt oder Basilikum nicht mehr als Lebensmittelwürzen tragbar. Die einzigen noch zulässigen Aromen wären dann im Tierversuch geprüfte, als unschädlich eingestufte Einzelstoffe aus der Retorte. Die sind dann aber nicht für den Menschen sicher, sondern nur für Ratten. Haben Sie auf dieses Retortenfutter wirklich Appetit?
    Kurz gesagt …
    Wer also die vorweihnachtliche Phobie vor Zimtplätzchen schürt oder toxikologische Zwergenaufstände im Fernsehen inszeniert, der leistet einer vollsynthetischen Ernährung Vorschub. Unsere deutsche Angstgesellschaft würde aus ein wenig mehr Gelassenheit, Augenmaß und Vertrauen in die Signale des eigenen Körpers größere gesundheitliche Vorteile schöpfen als aus allen einschlägigen Aufklärungsschriften von Greenpeace, Foodwatch und Verbraucherzentralen zusammen. Und unsere Lebensmittelindustrie wäre gut beraten, diese Angstgesellschaft nicht dadurch zu fördern, dass sie geltendes Recht vorsätzlich missachtet.

[zur Inhaltsübersicht]
    12 Die Lebensmittelampel – das Ende der Esskultur
    Das Vakuum, das Politik und staatliche Behörden erzeugt haben, füllen mittlerweile «Schützer» jeglicher Couleur. An Sendungsbewusstsein mangelt es ihnen nicht; immer häufiger treten sie auf, als würden sie hoheitliche Aufgaben erfüllen. Da zeigen TV -Programme abwechselnd Polizisten auf Streife und «Schützer» beim nächtlichen Herumschleichen auf dem Betriebsgelände von Landwirten. Die Aufgaben der Lebensmittel- und Veterinärüberwachung werden von den Medien wahrgenommen, die die Qualität von Lebensmitteln nach eigenem Gutdünken definieren und mit ihrem «gut» oder «mangelhaft» über das Wohl und Wehe eines Produkts entscheiden.
    Die Kriterien gibt der Zeitgeist vor. Einmal wird die Bierqualität nach dem Innenleben des Kronkorkens definiert, ein andermal eine Packung Tiefkühlpizza abgewertet, weil da zwei Stück drin sind – und die enthalten zusammengenommen einfach zu viele Kalorien. Einmal werden Produkte gelobt, die in Recyclingkarton verpackt sind, ein andermal wird der Ökokarton untersucht und für mangelhaft befunden. Schließlich steckt in einem Ökokarton naturgemäß mehr «freilaufende» Chemie als in den meisten Kunststoffen, was vielfach zu einer deutlich höheren Rückstandsbelastung im Produkt führt. Was für die Hersteller ein Vabanquespiel ist, gibt den «Schützern» und «Testern» Gelegenheit, je nach Wahl der Maßstäbe zahlungskräftige Hersteller, also potenzielle Spender, vor sich hertreiben zu können.
    Ein Husarenstück war die Idee mit der Lebensmittelampel. So wie kleine Kinder in der Verkehrserziehung lernen, «Bei Rot musst du stehn, bei Grün darfst du gehn», sollen wir im Supermarkt mittels Ampeln auf den Pfad der Tugend geleitet werden.

Weitere Kostenlose Bücher