Wer hat das Rind zur Sau gemacht?
Geschmacksverstärkern, Süßstoffen und Emulgatoren ist es heute möglich, die Sinnestäuschung auf die Spitze zu treiben und so ziemlich jede wertgebende Zutat durch schnittfestes Wasser und löffelfähige Luft zu ersetzen. Unsere Verbraucherschützer, allen voran
Foodwatch
, kämpfen nach eigenen Worten vehement gegen Essensfälscher, Etikettenschwindel und Zusatzstoffe, sind aber gleichzeitig ebenso entschieden für die Ampel. Ist denn keinem dieser «Essensretter», wie sich Foodwatch selbst nennt, dabei etwas aufgefallen? Vermutlich schon – aber bis das auch die Mitläufer merken, dauert es noch ein wenig.
Thilo Bode
,
ehemaliger Greenpeace-Chef, weiß was eine erfolgreiche Kampagne auszeichnet: «Ein klares Ziel, ein eindeutiger, populärer Konflikt mit einem geeigneten Gegner und die Konstellation David gegen Goliath.» 2 Damit geht es weniger um die Interessen des Verbrauchers – Aufklärung ist ein mühsames Geschäft, das zudem viel Fachwissen und Geduld erfordert –, sondern darum, populäre Konflikte auf die eigenen Mühlen zu lenken. Heute springt Foodwatch auf fahrende Züge auf und versucht, sich in die Position des Lokführers zu manövrieren. So kommt man zweifelsohne schneller voran.
Gesundes aus dem Schweinetrog
Die Idee von der gesunden Ernährung hatte stets etwas Surreales und Lustfeindliches. Begonnen hatte es mit Schweinefutter. In den 1980er Jahren hieß es, die schlauen Schweine bekämen die ach so gesunde Kleie zu fressen, während der unbedarfte Verbraucher mit dem gesundheitlich wertlosen Mehl in Form von Brötchen und Spaghetti abgespeist wird. Mit Parolen wie «Schwach durch Stärke» kam die Vollkornwelle ins Rollen. Seither sind Blähungen und Bauchweh Kennzeichen einer ernährungsbewussten Küche.
Nach den Körnern schwappte mit der Molke erneut Gesundes aus den Sauställen in unsere Mägen. Ihren Ruf als Heilmittel verdankt sie geschäftstüchtigen Schweizern. Vor über 100 Jahren kamen Senner auf die Idee, das Abfallprodukt nicht mehr dem heimischen Borstenvieh, sondern ihren deutschen Gästen zu servieren. Von da gelangte die Molke als Wundermittel in die Tuberkulose-Sanatorien. Das änderte sich allerdings, als man feststellen musste, dass Molke auch Tuberkulose übertragen kann. Und so las man um 1900 in den medizinischen Lehrbüchern: «Molkenkuren, welche früher in hohem diätetischen Ansehen standen, sind jetzt fast ganz aus der Therapie verschwunden. Ihre Wirkung besteht lediglich in der Beförderung der Darmentleerung. Meist entsteht nach längerem Gebrauch größerer Mengen stärkerer Durchfall.» 1 Doch diese Einsicht ist mittlerweile vergessen, und die Eitlen und Schönen legen es erneut darauf an, Schweinchen zu spielen.
Als Nächstes gelang der Sojabohne der Sprung vom Trog auf den Teller. Wenn die Schweinezüchter für die Überreste der Ölmühlen nicht mehr genug blechen wollen, braucht man zahlungskräftigere Zielgruppen. Die erhalten statt der Pellets halt Bratlinge aufgetischt, und ein fernöstliches Ernährungsmärchen gibt’s gratis dazu.
Schon macht sich der nächste Rohstoff aus den Ställen auf den Weg in die Küche – und diesmal gleich direkt in die Kindergarten- und Schulkantinen: Es ist der Weizenkleber, Abfall aus der Produktion von Stärke und Bioethanol. Um seine wahre Identität zu verschleiern, bekommt das Schweinefutter einen geheimnisvollen asiatischen Namen: Seitan, vegetarisches Nicht-Fleisch. Dass nicht fermentierter Weizenkleber, auch als Gluten bekannt, eine üble Darmentzündung namens Zöliakie verursacht, bereitet schon den nächsten Markt für «gesunde Ernährung» vor: Das glutenfreie Menü. Für einen saftigen Aufpreis, natürlich.
Die Ampel soll nach dem Wunsch der Verbraucherschützer nicht nur für Supermarktware gelten, sondern auch auf Kantinenessen oder Kochrezepte angewandt werden. Damit zielen sie geradewegs auf unsere Esskultur, denn nun stehen praktisch alle traditionell zubereiteten Gerichte zur Disposition. Kohlrouladen mit Salzkartoffeln, Bratwurst mit Sauerkraut, Linsen mit Speck, Schnitzel mit Pommes, Pizza mit Thun, Würstchen mit Kartoffelsalat, Spaghetti bolognese, Kaffee und Kuchen, Döner mit Reis, Kartoffelbrei mit Spiegelei, ja sogar das Butterbrot dürften mit roten Warnpunkten abgestraft werden. Bisher diente Essen der Sättigung. Jetzt soll es Hunger, Frust und Essstörungen erzeugen!
Cui bono?
Auch der Staat wird daraus seinen Nutzen zu ziehen wissen. Um Energiewende und Wahlgeschenke
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