Wer heimlich küsst, dem glaubt man nicht (German Edition)
der Stadt, um seine Großeltern zu besuchen, und wahrscheinlich längst wieder abgereist. Wahrscheinlich hatte er sich nur um der alten Zeiten willen bei Liam nach mir erkundigt.
»Die Kellner hier sind Idioten«, sagte ich zu Sidney. »Ganz egal, wie heiß sie aussehen. »Hast du das von diesem Travis gehört, der an der Bar arbeitet? Er schenkt allen Mädchen, die Cola Light bestellen, heimlich normale Cola ein, was ja wohl superfies ist. Shaniqua war kürzlich im Sea Grape und hat mitgekriegt, wie er bei seinen Kumpels damit angegeben hat.«
»Ich meinte nicht den Kellner«, entgegnete Sidney. »Ich rede von dem Hottie da drüben.«
Träge drehte ich den Kopf und blinzelte in die Richtung, in die sie zeigte. Soweit das Auge reichte, waren überall irgendwelche Typen zu sehen: heiße und weniger heiße, die auf ihren Boards im Wasser balancierten, Beachball spielten oder Frisbees warfen. Das ist einer der großen Unterschiede zwischen Jungs und Mädchen, ist mir aufgefallen – Jungs sind nicht in der Lage, länger als zehn Minuten stillzusitzen, während ich problemlos stundenlang in ein und derselben Position verharren kann (oder jedenfalls könnte, wenn ich nicht ständig aufs Klo müsste, weil ich so viel Cola Light trinke).
»Nicht der«, sagte Sidney, die bemerkte, in welche Richtung ich schaute. »Ich meine den, der gerade aus dem Wasser gekommen ist. Der Rothaarige mit dem Freestyle Board.«
Der Rothaarige? Ich drehte so schnell den Kopf, dass ich meinen Nackenwirbel knacksen hörte.
Nein. Das konnte nicht sein. Das durfte nicht sein!
Der Typ, von dem sie redete, war an die 1,90 m groß – also fast einen Kopf größer als Tommy Sullivan es gewesen war, als ich ihn das letzte Mal gesehen hatte – und knackig braun gebrannt. Er war außerdem unglaublich fit. Nicht so fleischig und muskelbepackt wie ein Bodybuilder, sondern mit einem schlanken, athletischen Körper, perfekt definierten Armmuskeln, einem breiten Brustkorb und einem Sixpack wie ein Unterhosenmodel.
Tommy Sullivan hatte eine eingesunkene Hühnerbrust gehabt, milchig weiße, mit Sommersprossen übersäte Haut, knallrote Haare, und seine Arme und Beine waren so dünn wie Zahnstocher gewesen.
Okay, das ist vielleicht ein bisschen übertrieben, aber einen sonderlich attraktiven Anblick hatte er wirklich nicht geboten. Nicht einmal annähernd vergleichbar mit dem Anblick, den uns dieser junge Gott bot – eine andere Bezeichnung fällt mir wirklich nicht ein. Gerade schüttelte er sich die Wassertropfen aus den kinnlangen rötlich-braunen Haaren und beugte sich vor, um sein Board auf den Strand zu legen. (Dabei war nicht zu übersehen, dass sich unter seiner weiten Badeshorts, die so voller Wasser gesogen war, dass sie gefährlich tief auf Hüfte hing, ein offensichtlich unglaublich wohlgeformter gluteus maximus verbarg.)
Sidney, die ebenso wenig wie ich in der Lage zu sein schien, den Blick von dieser Erscheinung loszureißen, stöhnte: »Kneif mich mal. Ich glaube, ich bin gestorben und im Himmel aufgewacht.«
»Hallo? Du hast einen Freund«, entgegnete ich automatisch.
»Hallo? Du ja wohl auch«, sagte sie, weil sie ja nicht wissen konnte, dass ich sogar zwei habe.
Aber ich muss gestehen, dass ich beide in dem Moment vergaß, in dem der Surfer sich aufrichtete und begann aufs Clubhaus zuzugehen … und damit auf uns.
Sidneys Hand schloss sich um mein Handgelenk und umklammerte es so fest, dass es richtig wehtat. Sie bohrte mir ihre künstlichen Fingernägel geradezu ins Fleisch.
»Er kommt auf uns zu«, sagte sie atemlos.
Als hätte ich das nicht selbst gesehen. Der junge Gott kam sogar direkt auf uns zu, obwohl das nicht der kürzeste Weg zum Clubhaus war. Ich war sehr froh, dass ich meine Ray-Ban-Sonnenbrille aufhatte, weil ich dadurch nicht von den auf der Wasseroberfläche glitzernden Sonnenstrahlen geblendet wurde und selbst die allerkleinsten Details seines Körpers erkennen konnte, die ich sonst niemals gesehen hätte: die feinen nassen Härchen, die sich auf seinem flachen muskulösen Bauch nach oben ringelten, sein männlich kantiges Kinn, den wohlgeformten lächelnden Mund, die strahlenden haselnussbraunen und fast bernsteinfarbenen Augen, die er zusammenkniff, weil seine eigene Sonnenbrille an einer Schnur um seinen Hals hing …
Moment mal. Bernsteinfarbene Augen?
»Hey, Katie«, grüßte Tommy Sullivan mich lässig mit tiefer Stimme, schlenderte an uns vorbei, sprang die Stufen zum Clubhaus hinauf und verschwand
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