Wer heimlich küsst, dem glaubt man nicht (German Edition)
im Wasser ungefähr zwanzig Minuten lang unter der Stranddusche abgebraust hatte, lag ich angespannt da, rechnete jede Sekunde damit, dass Tommy wieder an uns vorbeikommen könnte, und überlegte mir, was ich sagen sollte, falls er stehen bleiben und versuchen würde, mit mir zu reden …
Aber er kam nicht.
Vielleicht war das ja doch gar nicht Tommy gewesen. Vielleicht war es irgendein Gast, den ich mal im Restaurant bedient hatte und der nur zufälligerweise eine gewisse Ähnlichkeit mit Tommy Sullivan hatte oder so aussah, wie Tommy Sullivan aussehen würde, wenn er sich zu einem jungen Gott entwickelt hätte.
Womöglich war es nur ein total verrückter Zufall, dass Liam von jemandem namens Tommy Sullivan angesprochen worden war und ich heute jemandem begegnete, der aussah, als könnte er ein älterer, zum Gott mutierter Tommy Sullivan sein. Andererseits … wenn dieser Typ nicht Tommy Sullivan war, woher wusste er dann meinen Namen?
Und warum hatte er bernsteinfarbene Augen?
Kurz darauf kamen Seth und Dave aus dem Wasser, und wir gingen auf die Terrasse, um uns an der Bar etwas zu trinken zu holen. Keine Spur von Tommy Sullivan – oder von dem Typen, der Tommy Sullivan hätte sein können, wenn Tommy Sullivan inzwischen zu einem Gott mutiert wäre.
Vielleicht machte ich mich völlig grundlos verrückt. Wahrscheinlich war das einfach irgendein Typ aus der Schule gewesen, der uns bisher nie aufgefallen war und der in den Sommerferien zwölf Zentimeter gewachsen war und begonnen hatte, Kraftsport zu betreiben wie mein Bruder.
Klar, das war bestimmt die Erklärung!
Als ich ein paar Stunden später zur Arbeit radelte, hatte ich Tommy Sullivan völlig vergessen. Nicht wegen der E.coli-Bakterien, sondern weil ich vor meiner Schicht noch ein bisschen mit Seth in seinem Pick-up gesessen und geredet hatte. Er war total süß und machte mir die ganze Zeit Komplimente über meine Bikinifigur. (Ha! Ich sage doch, dass sich das Radfahren auszahlt.) Er sagte mir, wie toll das nächste Schuljahr werden würde – unser allerletztes Jahr an der Highschool – und wie sehr er sich jetzt schon darauf freute, wenn wir beide auf dem Abschlussball zum König und zur Königin gekrönt würden.
Klar, ich gebe zu, dass das ziemlich oberflächliche Themen sind, aber das heißt nicht, dass Seth und ich uns von Zeit zu Zeit nicht auch über intellektuelle Themen unterhalten würden. Okay, intellektuell ist vielleicht übertrieben, aber manchmal fahre ich sogar mit ihm nach Manhattan in eine Fotoausstellung und versuche ihm zu erklären, was der Künstler mit den Bildern sagen wollte und warum ich sie gut oder schlecht finde.
Allerdings landen wir bei solchen Ausflügen meistens doch früher oder später im Central Park und knutschen rum.
Aber das liegt daran, dass Seth eben eher der starke, stille Typ ist, der nicht viele Worte macht. Vor allem ist er unheimlich lieb und nett. Weshalb ich auch niemals mit ihm Schluss machen könnte. Das wäre nämlich wahnsinnig fies und das bin ich nicht.
Seth war im Pick-up sogar so süß, dass wir irgendwann nicht mehr redeten, sondern nur noch rumknutschten … obwohl es helllichter Tag war und ich eine sechsstündige Schicht im Restaurant vor mir hatte. Aber ich hatte nichts dagegen, weil es mich von meinen Problemen ablenkte. Es ist nämlich sehr schwer, sich wegen jemandem Sorgen zu machen, den man seit vier Jahren nicht mehr gesehen hat, während man von einem anderen geküsst wird. Vor allem, wenn derjenige, der einen küsst, Seth Turner heißt und der vermutlich begehrteste Junge in ganz Eastport ist. Jedenfalls bei den Mädchen meines Alters. Und vermutlich auch bei einigen der Jungs.
Als ich später auf den Mitarbeiterparkplatz hinter dem Restaurant einbog, sah ich Eric Fluteley beim Fahrradständer auf mich warten.
Natürlich nutzte ich die Gelegenheit, ihm noch einmal gehörig meine Meinung zu sagen: wie gemein ich es fand, dass er Morgan Castle benutzt hatte, um mich eifersüchtig zu machen. Das war gar nicht so einfach, denn ich knutschte ja gleichzeitig mit ihm rum. Aber meine Mutter erzählt immer stolz, dass ich schon als kleines Mädchen multitaskingfähig war und gleichzeitig fernsehen, in Malbücher kritzeln und Kuchen im Spielzeugbackofen backen konnte. Das ist ja im Grunde auch nicht so viel anders, als einen Jungen zu küssen und ihm währenddessen zu sagen, dass er ein fieses Schwein ist.
Zugegeben, manchmal mache ich mir schon Sorgen und frage mich, ob mit mir
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