Wer heimlich küsst, dem glaubt man nicht (German Edition)
entschuldigte ich mich. »Das Handy ist mir runtergefallen und in tausend Einzelteile zersprungen. Ich musste es nach dem Zusammensetzen erst wieder aufladen.«
»Verstehe. Und wer war es jetzt?«
»Wer war was?«
»Na, der Typ, den dein Bruder im Duckpin Lanes gesehen hat.«
»Ach so der, äh … ja. Das war …« Während ich beobachtete, wie Seth Liam ein anderes Trainingsgerät erklärte und die Tiffanys und Brittanys sich um die beiden scharten und noch andächtiger schauten als vorher (immerhin ist Seth der jüngere Bruder der Football-Legende Jake Turner und sieht rasend gut aus), dachte ich fieberhaft darüber nach, was ich Sidney antworten sollte. »Das war … niemand, den wir kennen. Bloß so ein Typ, den Liam mal in einem Football-Trainingslager kennengelernt hat.«
»Und wie kam er darauf, dass dich das interessieren könnte?«
»Keine Ahnung«, log ich. »Vielleicht weil er denkt, alles dreht sich nur um Football, seit Coach Hayes ihn zum Probetraining eingeladen hat?«
»Ach so, verstehe. Und wo bist du?«
»Im Jugendzentrum«, antwortete ich. »Mit Seth.« Natürlich erwähnte ich nicht, dass ich nicht wegen Seth hergekommen war, sondern um mit meinem Bruder zu reden, und erst recht nicht, dass Tommy Sullivan wieder in der Stadt war.
Das kann ich niemandem erzählen. Zumindest keinem von meinen Freunden, die ich alle erfolgreich dazu gebracht habe, zu vergessen, dass ich jemals etwas mit Tommy Sullivan zu tun hatte. Ich will auf gar keinen Fall, dass sie sich wieder daran erinnern.
»Okay«, sagte Sidney. »Sag ihm, dass wir uns nachher am Yachtclub treffen, und dann fahr schnell nach Hause und hol deine Badesachen. Heute ist perfekter Wind. Dave will unbedingt kiten.«
Der Yachtclub hat einen Privatstrand, an dem wir uns immer sonnen. Keiner von den Einheimischen geht an einen der öffentlichen Strände, wo man sich mit Hunderten von Touristen um einen Platz streiten müsste. Außerdem liest man immer wieder in der Zeitung, dass an den Stränden Spuren von E.coli-Bakterien im Wasser gefunden werden (von den Touristen mit Wohnwagen, die den Inhalt ihrer Campingklos einfach ins Meer schütten, statt ihn ordnungsgemäß zu entsorgen).
»Ich weiß nicht«, zögerte ich, weil die ganze Sache mit Tommy Sullivan mich so mitnahm, dass ich keine Lust auf Strand hatte. »Ich wollte eigentlich nach Hause und ein bisschen Klavier üben …«
»Wie bitte?« Sidney klang geradezu entsetzt. »Das kann nicht dein Ernst sein!«
»… und außerdem habe ich heute die Abendschicht im Gulp übernommen.«
»Na und? Bring deine Arbeitsklamotten mit und zieh dich im Clubhaus um. Für die Prinzessinnenwahl ist es viel wichtiger, an deiner Bräune zu arbeiten als an deinem blöden Gershwein …«
»Gershwin«, korrigierte ich sie. »Das Stück heißt ›I’ve got Rhythm‹ und der Komponist heißt George Gershwin.«
»Ist doch egal«, sagte Sidney. »Also, hol deine Badesachen und wir treffen uns dann im Club.«
Und so kam es, dass ich eine Stunde später auf einem der blau-weiß-gestreiften Strandlaken des Eastport Yacht Clubs lag, den Wellen lauschte, die sanft an die Küste schwappten, und zusah, wie mein Freund und Dave Hollingsworth versuchten, ihre Kites in die Luft zu bekommen.
»Achtung, Achtung: heißer Typ!«, sagte Sidney plötzlich, die neben mir lag.
Als ich kurz den Kopf hob, sah ich einen Kellner des Clubs, der durch den heißen Sand lief, um einer Gruppe junger Mütter in Bikinis, die ihren Kindern beim Sandburgenbauen zuschauten, ein Tablett mit Cocktails zu bringen. Wohlig seufzend legte ich mich wieder zurück.
Sidney hatte vollkommen recht: Ich musste wirklich an meiner Bräune arbeiten. Verglichen mit ihr sah ich aus wie eine Leiche, und es war viel besser, den Tag am Strand zu verbringen als am Klavier. Es war ein traumhafter Sommertag, 26 Grad im Schatten, mit einer kühlen Brise und einem wolkenlosen blauen Himmel, von dem die Sonne strahlte. Das Meer lag glatt und blaugrün glitzernd vor uns wie ein riesiger Saphir. Viele solche Tage würde es für uns nicht mehr geben. In einer Woche fing die Schule wieder an und dann war es mit dem schönen Leben vorbei.
Ich war glücklich. Seth hatte meine Bikinifigur mit einem anerkennenden »Wow, Süße! Hammer!« kommentiert, nachdem ich mich umgezogen hatte. Alles war gut. Wen interessierte es, dass Tommy Sullivan gestern Abend im Duckpin Lanes war? Wen interessierte es, dass er sich nach mir erkundigt hatte? Er war ganz bestimmt nur in
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