Wer hustet da im Weihnachtsbaum? (German Edition)
noch Äpfel und Nelken reintun?», fragte Papa.
«Nicht nötig, der ist schon fertig gewürzt», sagte Mama und starrte durch die Glastür in den Backofen. «Bist du sicher, dass die Gans gut ist?», fragte sie. «Die sieht ja noch ganz blass aus.»
«Stell doch den Grill an», sagte Papa und studierte das Etikett auf dem Rotkohlglas. «Aber das Vieh ist jetzt seit drei Stunden im Ofen, das müsste ja wohl reichen.»
«Vergiss nicht, sie war tiefgefroren. Wir hätten sie doch besser schon gestern auftauen sollen.»
«Hätten wir, haben wir aber nicht … Weißt du, was in dem Rotkohl drin ist? Geschmacksverstärker, Glukosesirup, E ichweißnichtwas – und das nennst du ‹gewürzt›?»
«Du hättest gern frischen schnippeln und kochen können, aber du wolltest ja ausschlafen!»
«Allerdings, ist ja schließlich mein letzter freier Tag, da hab ich keine Lust, stundenlang in der Küche zu stehen.»
«Dann setz dich aufs Sofa oder hinter deinen blöden Computer, ich schaff das schon allein!», schniefte Mama, aber sie sah überhaupt nicht so aus, als würde sie es allein schaffen.
Papa ging zu ihr und umarmte sie. «Ganz ruhig, meine Liebe. Der Tag heute ist eh schon vermurkst, da müssen wir nicht auch noch streiten.»
«Hast ja recht», sagte Mama und wischte sich mit Papas Schürze über die Augen.
«Wann muss ich Tante Traudl denn abholen?», fragte Papa und band sich die Schürze ab.
Mama schaute auf die Uhr. «O nein, es ist ja schon fast drei! Ihr Zug kommt in einer Viertelstunde!»
«Das wird knapp. Hat sie ein Handy?»
«Natürlich nicht. Was denkst du denn?»
Papa seufzte. «Na gut, dann mach ich mich mal besser auf den Weg.»
Luzie, die gerade ihren Kopf in die Küche steckte, rief fröhlich: «Da stinkt was.»
Es stank nicht nur, es qualmte auch. Mama stürzte zum Herd.
«Der Rotkohl, ach du Schei…»
«Ein Glas steht noch im Keller», sagte ich.
«Hol das bitte hoch, Hannes, das Zeug hier kann ich nur noch wegschmeißen. Und den Topf gleich mit dazu.»
«Und alles nur wegen der blöden Biedermannkommode», sagte Luzie.
«Biedermeier», sagte ich.
«Was ist ein Biedermeier?», fragte Luzie.
Das wusste ich auch nicht, aber es musste etwas sehr Wertvolles sein, wenn Mama jedes Jahr diesen Zauber veranstaltete.
«Frag nicht, sondern deck lieber den Tisch, aber mit den guten Tellern», sagte Mama. «Und Hannes, ab mit dir in den Keller.»
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9. Kapitel
Grüner Rotkohl und ein pinkes Einhorn
A ls Papa mit Tante Traudl ankam, war alles fertig. Der Gänsebraten stand auf dem Tisch und sah sogar richtig knusprig aus. Der Rotkohl war allerdings nicht rot, sondern grün, denn es war nur noch ein Glas Grünkohl im Keller gewesen.
Tante Traudl hielt erst Luzie, dann mir ihre faltige Wange hin, und wir mussten sie küssen. Luzie hatte recht, sie roch wirklich nach Mottenkugeln. Dann ging sie zum Baum, schlug die Hände zusammen und sagte, was sie immer sagte: «Mein Gott, Kinder, wie ist es nur wieder schön bei euch! Ganz wie früher bei uns daheim.»
Sie befühlte einen der Zweige. «Aber unser Baum war am Dreikönigstag längst nicht mehr so frisch.»
«Es ist ja auch schon der dritte», verkündete Luzie.
«Wie bitte?»
«Nun setz dich doch erst mal hin, Tante Traudl», sagte Mama. «Die Fahrt war sicher anstrengend. Möchtest du ein Glas Wein oder Wasser?»
«Macht euch keine Umstände, ich trinke, was ihr trinkt.» Das sagte Tante Traudl auch jedes Jahr.
«Ich trinke Cola», sagte Luzie.
«Du trinkst natürlich keine Cola, Luzie», sagte Mama. «Wie kommst du denn auf die Idee?»
Luzie legte den Kopf schief und grinste: «Na, weil heute Weihnachten ist und man sich da was wünschen darf. Soll ich Tante Traudl sagen, was du dir wünschst?»
«Halt den Mund, Luzie!», zischte Mama.
«Nie darf ich was sagen.» Luzie stach mit ihrer Gabel in die Schüssel mit den Klößen, zog einen besonders dicken heraus und stopfte ihn sich in den Mund.
«Eure Geschenke bekommt ihr nach dem Essen», sagte Tante Traudl. Sie hielt ihre Nase in die Luft und schnupperte. «Hm, wie das wieder duftet!» Auch das kannten wir. Doch dann riss sie erstaunt die Augen auf. «Das ist ja Grünkohl. Isst man das heute zu Gänsebraten? Wie originell.»
«Das war eher ein Unfall», murmelte Mama.
«Na, dann werde ich dem Vogel mal zu Leibe rücken», sagte Papa und stach der Gans ein Messer in die Kruste, dass es krachte.
Doch das Fleisch, das er absäbelte, sah innen drin nicht
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