Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer im Trueben fischt

Wer im Trueben fischt

Titel: Wer im Trueben fischt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechthild Lanfermann
Vom Netzwerk:
zusammenbekommen, machen wir eine Sondersendung zum Stand der Ermittlungen. Gegen dreizehn Uhr will ich wissen, ob genug Futter dafür da ist. Vorher wird on air nicht auf die Sendung geteast. Noch Fragen?«
    Alle schüttelten die Köpfe, manche standen auf, reckten sich, andere warfen die leeren Kaffeebecher in den Mülleimer. Schneider war schon vorausgelaufen in die Senderegie. Emma drängelte sich nach vorn durch und tippte Ernst, dem Redakteur mit dem eisgrauen Haar, auf die Schulter. Er drehte sich zu ihr um und winkte dabei gleichzeitig seinem Vordermann zu, der den Raum verließ.
    »Was ist denn?«
    Emma schaute den Mann an. Er war kaum größer als sie. Seine Augen waren so grau wie sein Haar.
    »Ich wollte nur fragen – du hast doch gestern überprüft, ob jemand im Saal war, den Rosenberg angegriffen hat. In seinem Buch, mein ich.«
    »Ach deswegen.«
    Der Mann ließ einen Kollegen vorbei durch die Tür gehen.
    »Nee, da war keiner. Hätte mich auch gewundert.«
    »Warum?«
    Die beiden waren jetzt die Letzten im Raum. Ernst ging durch die Tür. Sein Schreibtisch war gleich neben dem Sitzungsraum. Er ließ sich auf seinen Drehstuhl fallen und fuhr den Computer hoch. Dann schaute er zu Emma, die abwartend neben seinem Stuhl stehen geblieben war.
    »Warum? Na zum einen, weil sie langsam zu alt sind. Die Leute, die nach dem Krieg schon auf Universitätsposten saßen, die sind längst weg vom Fenster.«
    »Und warum noch?«
    Der Computer blinkte jetzt. Ernst trug seinen Namen und das Kennwort in die Eingangsmaske ein. Abwesend fragte er:
    »Was, warum noch?«
    »Du meintest, zum einen. Was ist der andere Grund?«
    Ernst warf einen Blick auf die neue Kollegin, die an seiner Seite stand. Er lehnte sich zurück und wies auf den Stuhl neben sich. Emma setzte sich. Ernst nahm ein Buch von seinem Schreibtisch und hielt es ihr hin. Rosenberg lächelte sie von dem Titelblatt an.
    »Weil einer, der von Rosenberg als Antisemit beschimpft wird, seinen Hut nehmen muss. Der hat keine Chance mehr an den deutschen Universitäten, egal, was er geleistet hat.«
    Emma schaute dem Mann ihr gegenüber wachsam in die Augen.
    »Aber sie haben es doch verdient. Oder hat Rosenberg übertrieben? Hat er jemand zu Unrecht verurteilt?«
    Ernst hob die Augenbrauen. Er warf das Buch zurück auf den Schreibtisch.
    »Vermutlich war er ganz korrekt. Nur dass die in Deutschland nach dem Krieg auch nichts zu essen hatten, das hat er nicht geschrieben. Die hatten ja vielleicht auch Familien, die versorgt werden mussten.«
    Emma stand auf. Ihre Stimme war jetzt kalt.
    »In den 60er Jahren war die Not nicht mehr so groß. Und wenn Rosenberg nicht korrekt recherchiert hätte, dann wäre er sicher verklagt worden.«
    Sie stand auf, drehte sich um und durchquerte den Raum. Ernst biss sich auf die Lippe.
    »Er ist zigmal verklagt worden!«
    Schlagartig war es ruhig in dem großen Büro. Alle schauten zu ihm hin. Emma drehte sich um.
    »Aber keiner hat gegen ihn Recht bekommen.«
    Sie ging zu ihrem Platz. Die Kollegen wandten sich wieder anderen Dingen zu.
    Ernst schmeckte Blut auf der Lippe.
    Blöde Gans, dachte er.
    »Hier ist das Jüdische Museum, Dieter Schmidt, wie kann ich Ihnen helfen?«
    Schmidt, klingt gar nicht jüdisch, dachte Emma automatisch. Laut sagte sie:
    »Ich bin Journalistin und recherchiere über einen jüdischen Berliner, der 1933 geflohen ist.«
    »Solche Anfragen gehen an unser Archiv. Soll ich Sie verbinden?«
    »Ja, bitte.«
    Emma lauschte der Warteschleifenmusik, ein Klarinettensolo. Sie fragte sich, ob man jüdischen Glaubens sein musste, um dort angestellt zu werden. War diese Annahme schon rassistisch? Aber würde sie nicht das Gleiche bei einem katholischen Museum denken?
    »Guten Tag, Selkov mein Name. Ich höre, Sie sind Journalistin?«
    »Ja, ich arbeite für BerlinDirekt. Ich bin auf der Suche nach einem Ehepaar Rosenberg. Leider weiß ich nicht viel über sie, nur dass sie 1933 geflohen sind.«
    »Rosenberg, das ist ein ziemlich geläufiger Name. Wissen Sie sonst nichts über sie, Vornamen, Beruf, Aussehen?«
    »Leider nicht. Ich weiß nur, dass sie einen Enkel haben, der in den Staaten lebte. Er soll bei seiner Großmutter aufgewachsen sein.«
    Einen Moment lang war es in der Leitung still.
    »Der Rosenberg? Der gestern ermordet worden ist?«
    »Er ist also nicht bei Ihnen aufgetaucht und hat nach seiner Familie recherchiert?«
    »Nein.«
    Emma seufzte.
    »Tja, dann tut es mir leid, Sie gestört zu … warten Sie,

Weitere Kostenlose Bücher