Wer im Trueben fischt
Sie sagten Aussehen? Haben Sie darüber Informationen gespeichert?«
»Ja. Wir haben viele Bilder und Alltagsberichte. Da geht es oft auch um Äußerlichkeiten. Wir versuchen, ein möglichst umfassendes Bild …«
»Rote Haare?«
»Wie bitte?« fragte Selkov.
Emma setzte sich aufrecht hin. Sie war jetzt konzentriert.
»Tom Rosenberg, der Enkel, hatte flammend rotes Haar. Ist das nicht häufig vererbt? Vielleicht hat er es von der Familie väterlicherseits?«
»Warten Sie.«
Der Hörer wurde beiseitegelegt. Zum Glück drückte der Mann nicht die Warteschleifenmusik. Emma trommelte angespannt mit dem Finger auf den Block vor ihr. Ihr Blick fiel auf Haarms. Er saß drei Tische weiter und telefonierte ebenfalls. Dabei sprach er lauter als gewöhnlich. Emma hörte ein Klacken in der Leitung.
»Vielleicht haben wir Glück. Aber ich gebe Ihnen keine Garantie, dass wir richtigliegen.«
Emma presste sich den Hörer so fest auf das Ohr, dass es wehtat.
»Was ist es?«
»Es gibt hier einen Carl Josef Rosenberg, geboren 1886. Er wurde von Freunden und Kollegen Caro genannt, wegen seines roten Haarschopfes.«
»Haben Sie noch mehr über ihn?«
Der Mann lachte.
»Eine ganze Schublade voll.«
»Darf ich Sie besuchen kommen?«
I n Blumes Büro summten die alten Heizkörper. Sie wurden automatisch betrieben und schalteten sich um Punkt siebzehn Uhr aus. Blume hielt den Telefonhörer in der Hand. Er hatte mit dem Anruf gewartet, um ungestört zu sein.
»Das Mädchen wurde angeblich vergewaltigt. Damit ist sie wohl nicht klargekommen.«
Blume fragte in den Hörer:
»Wieso angeblich?«
»Der Mann ist freigesprochen worden. Mangels stichhaltiger Beweise, wie es so schön heißt.«
Blume machte sich eine Notiz. Er wechselte den Hörer in die andere Hand.
»Und was hat diese Journalistin damit zu tun?«
»Emma Vonderwehr?«
Edgar Blume warf einen Blick durch die Tür in den Nebenraum auf seinen Assistenten Erkenschwick. Er saß schräg zu ihm an seinem Schreibtisch und packte seine Thermoskanne in die Tasche.
»Mmmh.«
Der Kollege am Telefon sagte: »Sie hat über den Fall berichtet. Und dabei auch erzählt, dass die Kleine ganz schön wild war. Mit fünfzehn schon zweimal abgehauen und so. Nach dem Freispruch gab es dann viel Gerede. Immer wieder wurde aus den Porträts zitiert, die die Vonderwehr von ihr gemacht hat. Von wegen Alkohol und Streit zu Hause. Und am Ende glaubten viele, das Mädchen habe sich das nur ausgedacht.«
»Die Vergewaltigung ausgedacht? Warum sollte sie das tun?«
»Es gab den Verdacht, die Vonderwehr würde dahinterstecken. Die beiden waren ganz dicke. Und die Frau ist ja mit der Geschichte auch groß rausgekommen. Hat ne Riesenkampagne gestartet, gegen Gewalt und so.«
Blume starrte auf Erkenschwick. Wie konnte man nur so lange brauchen, um wenige Sachen in eine Tasche zu legen. Endlich ließ Erkenschwick die Schnalle zuschnappen. Er stand auf, nahm seinen Mantel und nickte in Blumes Richtung. Dann fiel die Tür zum Flur hinter ihm zu. Blume wandte sich wieder dem Telefongespräch zu.
»Aber dann hat sich das Mädchen umgebracht.«
»Erhängt hat sie sich, in der Turnhalle ihrer Schule. Die Familie war natürlich geschockt. Und alle gaben der Vonderwehr die Schuld. Sie wäre nicht sachlich geblieben, hätte den angeblichen Täter schon vorher verurteilt. Das Ganze benutzt für ihre Karriere.«
»Also mir kommt es eher so vor, als hätten die Leute einen Buhmann gebraucht.«
»Ich weiß nicht, Edgar, wer kann schon sagen, wie das alles abgelaufen wäre ohne diesen Wirbel. Vielleicht würde das Mädchen noch leben.«
Die beiden Männer schwiegen. Dann fragte der Kollege:
»Warum interessierst du dich eigentlich für die Frau? Ist sie jetzt in Berlin?«
»Ja, sie schreibt hier über einen Fall von mir.«
»Hier war sie plötzlich weg vom Fenster. Ich hab gehört, sie ist rausgeschmissen worden.«
Blume starrte auf den Block vor sich. Dann strich er plötzlich alles heftig durch.
»Danke Robert. Hast was gut bei mir.«
»War schön, mal wieder von dir zu hören. Grüß Katrin von mir.«
Blume schluckte.
»Mach ich.«
E mma saß in der U-1 und fuhr Richtung Kreuzberg. Ihr großes Männerrad blockierte drei Sitze, aber der Zug war nicht voll. Sie hatte Schneider informiert und versprochen, sich rechtzeitig zu melden, falls die Sondersendung stattfände.
Am Wittenbergplatz tauchte die Bahn aus dem Tunnel auf und fuhr auf die Hochtrasse. Emma stützte ihren Arm auf dem
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