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Wer im Trueben fischt

Wer im Trueben fischt

Titel: Wer im Trueben fischt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechthild Lanfermann
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kräftig. Eine Spur von Schweißgeruch ging von ihm aus. Blume beugte sich zu dem alten Mann im Rollstuhl vor.
    »Auf Wiedersehen, Herr Bohmann. Ich hoffe, unser Gespräch hat Sie nicht zu sehr aufgewühlt.«
    Bohmann drückte leicht seine Hand.
    »Nein, nein. Ich bin jetzt nur … etwas müde.«
    Alexander trat einen Schritt näher an den Rollstuhl.
    »Sehen Sie, es war notwendig, das Gespräch abzubrechen.«
    Er strich über die Schulter seines Vaters. »Er ist ja wirklich nicht mehr der Jüngste.«
    Blume schaute hoch zu dem Sohn.
    »Auf Wiedersehen, Herr Bohmann.«
    »Zumal er Ihnen ja auch nicht viel sagen konnte.«
    Der Kommissar drehte sich um und ging zu seinem Auto, Erkenschwick folgte ihm. Der Kies knirschte unter ihren Füßen. Blume spürte die Blicke der beiden in seinem Rücken. Als er anfuhr, hob er die Hand zum Gruß. Vater und Sohn standen noch immer vor dem Portal. Sie reagierten nicht. Im nächsten Augenblick war der Wagen von der Auffahrt verschwunden.
    Blume blinkte und bog in die ruhige Allee ein.
    »Was hältst du von der Sache?«
    Erkenschwick schnalzte leicht mit der Zunge.
    »Ich glaube, der Alte ist nicht so senil wie der Sohn gerne möchte.«
    »Er ist immerhin fast hundert. Neben dem bist ja sogar du noch im besten Alter.«
    Erkenschwick reagierte nicht. Blume warf einen schnellen Seitenblick auf das verschlossene Gesicht und wünschte sich, diesen Witz nicht gemacht zu haben. Dann konzentrierte er sich auf den Verkehr.
    Alexander Bohmann fasste die Griffe des Rollstuhls, um seinen Vater zurück ins Haus zu fahren. Der Alte hob seinen rechten Unterarm und streckte die Hand nach hinten. Der Sohn blieb stehen. Er nahm die Hand und drückte sie sich an die Brust. Durch die Finger spürte er die fadendicken blauen Adern auf dem Handrücken seines Vaters. So standen sie einen Moment, wie für ein Porträt, vor ihrer Gründerzeitvilla.

E mma raste quer durch Berlin. Sie versuchte, einigermaßen die Richtung zu halten. Die Anstrengung tat ihr gut, die Konzentration auf den Verkehr. Sie hatte überlegt, in eine Ausstellung zu gehen oder ins Kino. Aber ihr Kopf war schon voll mit Stimmen und Bildern. Nur das Treten der Pedale half, das laute Atmen. Sie sah Jenni, aufgebahrt in der Leichenhalle. Jennis Mutter, die Emma auf der Beerdigung ins Gesicht spuckte. Wie Helene da ihre Hand nahm und mit ihr und Ida ruhig davonging.
    Treten, treten, sie schaltete einen Gang höher, es wurde schwerer. Sie sah wieder den Erste-Hilfe-Raum. Die Referentin, die mit dem Zeigefinger die Oberlippe über die Zähne zog. In ihr hallten die Worte aus dem Flyer der Firma Bohmann nach, wir haben das Wissen und die Stärke … Und sie sah Martha, die vögelvergiftende Martha, die sich auf ihren Stock stützte, um in die Küche zu kommen, nur weg, weg von ihr und ihren Fragen.
    Laut atmend blieb Emma stehen. Der Rotz lief ihr aus der Nase, sie tastete nach einem Taschentuch, fand keins und schnaubte dann in den Straßengraben.
    Sie wischte sich mit dem Ärmel Schweiß und Rotz aus dem Gesicht. Längst hatte sie die Innenstadt hinter sich gelassen. Die Straßen wurden breiter, tiefe Löcher rissen den Asphalt auf. Fahrradwege gab es hier keine mehr, die Autos fuhren schnell und dicht an ihr vorbei. Häuserruinen mit Sperrholz vor dem Eingang wechselten sich ab mit Neubauten in Terrakotta und Zitronengelb. An einer großen Kreuzung holte sie ihren Stadtplan heraus. Sie hatte darauf geachtet, die Sonne immer an rechter Schulterhöhe zu lassen. Das Gewerbegebiet lag nur noch ein paar Kilometer entfernt.
    Ein runder Metalltank wies schon von weitem auf die Firma hin. Schwarz auf gelb stand dort: Wenn’s gut werden soll – Ihr Baustoffhandel. Emma stieg vom Rad und schob es durch das Metallgittertor auf das Gelände, vorbei an kleinen Dachmodellen mit unterschiedlichen Dachpfannen und Mustern von Terrassenbelägen in Stein und Holz. Das Gebäude setzte sich aus zwei lang gestreckten Flachdächern zusammen, die gemeinsam ein L bildeten. Weiter hinten auf dem Hof fuhr ein Gabelstapler orange PVC-Rohre auf einen Hänger. Ein zweiter Gabelstapler parkte neben dem Eingang. Emma schloss ihr Rad ab. Dabei blickte sie nach rechts und links. Zwei Männer standen auf dem Hof. Sie rauchten und riefen dem Gabelstaplerfahrer etwas zu. Emma zog die Nase hoch, fuhr sich durchs Haar und ging auf den Eingang zu. Sie öffnete die schwere Metalltür und schlüpfte ins Gebäude. Hinter ihr donnerte die Tür wieder zu. Ein paar Männer und eine

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