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Wer im Trueben fischt

Wer im Trueben fischt

Titel: Wer im Trueben fischt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechthild Lanfermann
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Chefredakteur darauf notiert hatte. Sie hatte Glück, der Historiker war zu Hause. Sie stellte sich vor und bat um ein Gespräch über den Bauunternehmer Rosenberg. In zwei Stunden sollte sie kommen. Unschlüssig stand sie mit ihrem Telefon im kalten Wind und fragte sich, was sie bis dahin tun sollte. Da sah sie an der nächsten Straßenkreuzung einen kleinen Kiosk. Sie stapfte los, während sie die Nummer der Redaktion wählte.
    »Jaaa?«
    »Hier Vonderwehr. Ist Schneider da?«
    Schneider komme erst später. Am nölenden Tonfall erkannte Emma jetzt den Redaktionsassistenten Sebastian.
    »Ich treffe heute noch den Historiker, den Schneider mir vermittelt hat. Vielleicht gibt das noch einen Beitrag.«
    »Das kann ich mir kaum vorstellen. Wo soll denn das laufen – bei unseren Wochenendmagazinen?«
    Das hast du ja zum Glück nicht zu entscheiden, dachte Emma. Sie wollte schon auflegen.
    »Da hat übrigens jemand nach dir gefragt.«
    »Wer?« Ihre Stimme klang alarmiert.
    »Weiß ich doch nicht, wen du so kennen lernst. Der wollte deine Adresse haben.«
    »Die hast du ihm natürlich nicht gegeben.«
    »Natürlich nicht.« Sebastians Stimme rutschte nach oben. Er lügt, dachte Emma.
    »Lass dir das nächste Mal Name und Telefonnummer geben. Ich ruf zurück.«
    »Bin ich die Vermittlung, oder was?«
    Aufgelegt. Emma war wütend, aber auch besorgt. Sie fragte sich, wer sich beim Sender nach ihrer Adresse erkundigte.
    »I began to loose control
    I began to loose control«
    John Lennons Song dröhnte durch den kleinen Laden, gespielt von Roxy Music, eine Hommage nach dem New Yorker Attentat an Lennon.
    »I’m just a jealous guy«
    Emma blieb einen Augenblick auf der Schmutzmatte stehen. Das Wasser tropfte an ihr herunter.
    Im Laden gab es Zigaretten, Chips, Süßigkeiten und Zeitschriften, auch eine kleine Sammlung von Schallplatten, alle einzeln in Plastikschutzhüllen verpackt. In einer Ecke sah Emma eine elegante Gaggia-Kaffeemaschine aus den 80er Jahren. Hinter der Theke saß ein dicker Mann und faltete ein Stück Zigarettenpapier. Lange blonde Strähnen fielen ihm ins Gesicht. Emma machte einen Schritt nach vorn.
    »Entschuldigung …?«
    Der Mann blickte auf und strich sich die Haare aus den Augen. Er hatte ein junges glattes Gesicht, vielleicht lag das aber auch an dem Fett, das seine Wangen auspolsterte und seine Augen fast verschwinden ließ. Der Mann lächelte und drehte die Stereoanlage leiser.
    »Hey, hab Sie gar nicht kommen hören.«
    »Kann ich einen Kaffee bekommen?«
    Der Mann stand auf. Sein Drehstuhl fuhr mit einem Seufzer nach oben.
    »Klar doch.«
    Er machte sich an der Espressomaschine zu schaffen, es zischte und brodelte, und ein starker Duft zog durch den Raum. Er brachte ihr den Kaffee in einer kleinen Porzellantasse. In einem goldfarbenen Rahmen lächelten Prinz Charles und Lady Diana. Der Kaffee war stark und schwarz ohne alles. Sie nahm einen Schluck und wärmte ihre Finger an der Tasse.
    Der Mann beobachtete sie. Seine blonden Haarsträhnen fielen ihm dabei wieder in die Augen. Reflexartig strich er sie nach hinten.
    »Scheißekalt heute. Jetzt kommt der Winter.«
    Er setzte sich wieder auf seinen Platz und nahm ein neues Stück Zigarettenpapier. Neugierig kam Emma näher und schaute über den kleinen Sichtschutz der Theke. Überrascht rief sie.
    »Oh! Wie schön!«
    Der Mann lächelte. Mit seinen Wurstfingern faltete er filigran das Papier, bis ein winziger Zigarettenpapiervogel daraus entstand. Er stellte ihn behutsam zu den anderen Wesen auf ein Regal hinter ihm. Emma sah Blumen, Sterne, Tiere und abstrakte Gebilde.
    »Verkaufen Sie die auch?«
    Der Mann schüttelte den Kopf. Als er Emmas enttäuschtes Gesicht sah, lachte er.
    »Die verschenk ick nur. Wat sind Se denn für’n Sternzeichen?«
    Emma dachte an Ida und sagte:
    »Steinbock. Das bin nicht ich, das ist … das wäre für meine Schwester.«
    Der Mann ließ seinen Blick über die Figuren fahren. Dann schüttelte er den Kopf, setzte sich an seine Theke und zog ein neues Blatt Zigarettenpapier heraus. Wieder dauerte es nur Minuten, dann hielt er einen kleinen Steinbock in seiner Hand. Der Körper angedeutet, der Kopf mit den Hörnern in die Höhe gereckt. Staunend nahm ihn Emma in Empfang.
    »Toll. Danke!«
    Sorgsam verstaute sie den winzigen Papiersteinbock in ihrer Tasche. Der Mann beobachtete sie dabei.
    »Zum Glück haben Se nich Jungfrau jesagt.«
    Er lachte wieder, diesmal lauter. Emma schaute verlegen zur Seite. Sie sah auf die

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