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Wer im Trueben fischt

Wer im Trueben fischt

Titel: Wer im Trueben fischt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechthild Lanfermann
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Unternehmer ihren gesamten Besitz an einen Nichtjuden, dem sie vertrauten. Das war manchmal ein Mitarbeiter, ein Nachbar oder ein angeheirateter Verwandter. Sie selber gingen ins Ausland und hofften, nach ein paar Jahren könnten sie zurückkommen und alles wäre wieder beim Alten.«
    Emma wechselte einen Blick mit Blume.
    »Dann war Heinrich Bohmann der Mitarbeiter, dem Rosenberg vertraute.«
    »Bei ihm war es doppelt schwierig. Bauhausstil und dann auch noch ein Jude! Rosenberg hatte 33 kaum mehr Aufträge bekommen. Sicher, er hatte Rücklagen für sich persönlich, aber seine Firma hätte er nicht lange halten können.«
    Blume sagte:
    »Aber die Nazis waren zäher, als die meisten dachten.«
    Klinke nickte.
    »Über zehn Jahre ging der Pachtvertrag von Rosenberg, nicht wahr? 43 fiel dann alles an Bohmann. I. E. ü. heißt ›In Eigentum übergegangen‹.«
    Emma fühlte, wie es ihr heiß in den Kopf schoss. War es das, was sie gesucht hatte?
    »Und Rosenberg?«, fragte sie.
    »Warten Sie, wenn mich nicht alles täuscht, war Rosenberg zu dem Zeitpunkt schon tot.« Klinke blätterte in dem Buch bis nach hinten zum Personenverzeichnis.
    »Hier, sehen Sie. Rosenberg, Carl Josef, geboren 1886 in Berlin, gestorben 1942 in Madrid, Spanien.«
    Wieder schaute Emma zu Blume rüber. Der blickte stur geradeaus zu Klinke. Am liebsten hätte Emma ihn ans Schienbein getreten.
    »Wie günstig für Bohmann«, sagte sie, an Blume gerichtet.
    Klinke klappte das Buch zu. Er strich über den Einband. »Deutsche Architekturgeschichte bis 1945« stand dort in roten Lettern geprägt.
    »Sonst wäre alles ans Deutsche Reich gegangen. Vermutlich war es Rosenberg so noch lieber.«
    »Aber es gab doch Miriam!«
    Emmas Stimme wurde schrill. Sie drehte ihren Kopf in Klinkes Richtung.
    »Und einen Sohn! Carl und Miriam hatten einen Sohn!«
    Der Historiker schaute auf und lächelte milde.
    »Ich bitte Sie, was spielte das für eine Rolle im Nazideutschland! Die beiden waren Juden. Bohmann war ein guter deutscher Bürger, seine Rechte an dem Besitz wurden nicht angetastet.«
    »Und nach 45?«
    Diesmal antwortete Blume.
    »Miriam Rosenberg wanderte nach dem Krieg mit ihrem Sohn nach Amerika aus. Sie hat sich nie offiziell wegen einer Entschädigung an die Bundesrepublik gewandt.«
    Alle drei schwiegen. Emma beendete die Aufnahme und wickelte langsam das Mikrofonkabel auf. Sie dachte an die junge Frau im hellen Tupfenkleid. Sie musste ungefähr in ihrem Alter gewesen sein, als sie allein mit ihrem Kind dastand. Was schreckte sie ab, warum kämpfte sie nicht um ihren Besitz? Geheuchelte Entschuldigungen, Formularberge, unverhohlener Antisemitismus? Hätte sie an ihrer Stelle noch was mit Deutschland zu tun haben wollen?
    Blume stand auf und mit ihm Klinke.
    »Vielen Dank, Professor Klinke, dass wir Ihnen …«
    »Aber Bohmann«, Emma schnellte in die Höhe, damit die beiden Männer nicht auf sie herunterblicken konnten, »Bohmann hat dann doch das Baugelände zu Unrecht behalten, oder?«
    »Vermutlich.« Der Professor lächelte sie an. »Aber – und das sage ich Ihnen jetzt, wo Ihre Aufnahme nicht mehr läuft –, wenn Sie das anklagen wollen, dann müssen Sie gleich halb Berlin vor den Richter zerren. Enteignungen und Übernahmen gab es hier jede Menge.«
    Emma schaute von einem zum anderen. Der Historiker ging zur Tür.
    »Mit einem Unterschied«, sagte sie leise. Sie sah noch immer das Mädchen in dem getupften Kleid vor sich. Blume folgte dem Gastgeber. Er drehte sich um und sah Emma fragend an.
    »Hier gab es Überlebende.«
    Blume drehte sich um und ging aus dem Zimmer. Emma nahm langsam ihre Tasche.
    Eine Frau, dachte sie. Und ein Kind. Ein kleiner Junge. Vermutlich hatte er die roten Haare seines Vaters. Und die gab er weiter an den Enkel der Familie, an Tom.
    An der Tür reichten sich die Männer die Hände. Emma hatte ihre Hand ausgestreckt, da fiel ihr noch was ein.
    »Professor Klinke, sagt Ihnen der Begriff ›Junge Fische‹ etwas?«
    Blume, schon auf dem Treppenabsatz, drehte sich rasch um und schaute ihr überrascht ins Gesicht. Jetzt war es Emma, die seinem Blick auswich. Der Historiker schaute neugierig von einem zum anderen.
    »Nein,« sagte er, »davon hab ich noch nie was gehört.«
    »Sie sollten das doch vergessen!«
    Blume ging in Riesenschritten zum Auto. Emma hatte Mühe, an seiner Seite zu bleiben.
    »Ich soll so einiges vergessen, was? Am besten, dass Bohmann einen guten Grund hatte, den Enkel zum Schweigen zu

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