Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer im Trueben fischt

Wer im Trueben fischt

Titel: Wer im Trueben fischt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechthild Lanfermann
Vom Netzwerk:
bringen?«
    Blume betrachtete sie. Sie waren voreinander stehen geblieben. Emma atmete laut. Er strich ihr über den Arm. Sie reagierte nicht.
    »Kommen Sie, wir gehen was trinken«, sagte er leise, »sonst laufen Sie mir noch zu Bohmann und belästigen ihn.«
    Sie gingen ein paar Schritte schweigend nebeneinanderher bis zu einem Bäcker. Blume bestellte Kaffee und Emma ein Brötchen mit Frikadelle. Ihr Magen knurrte. Sie warfen einen Blick in den Gastraum. Jeder Tisch war besetzt mit älteren Paaren und Familien. Sie stellten sich an den Stehtisch im Verkaufsraum. Emma drängte sich an die Heizung. Bei Klinke war sie trocken geworden, aber die wenigen Schritte bis zur Bäckerei hatten ihr wieder eine Gänsehaut beschert. Sie war müde, ihr Kopf pochte vom Reisschnaps, ihre Wunde an der Hüfte fing wieder an zu brennen. Sie kaute an dem trockenen Weißbrot, das ihr wie nasse Watte im Mund klebte. Spülte es runter mit lauwarmem Automatenkaffee.
    »Ist es nicht auffällig, dass der alte Rosenberg ein Jahr vor dem Ende des Pachtvertrages stirbt?«, fragte sie.
    Als Blume sie ansah, senkte sie den Kopf und biss wieder in ihr Brötchen. Mit vollem Mund murmelte sie:
    »Wer weiß, was Bohmann damit zu tun hat.«
    Blume stellte seine Kaffeetasse ab, dass es klirrte.
    »Seien Sie vorsichtig mit dem, was Sie sagen.«
    Emma schaute ihn an. Sie war enttäuscht.
    »Ich lass mir aber keinen Maulkorb verpassen.«
    Sie kramte ein paar Münzen aus ihrem Portemonnaie, legte sie auf den Tisch und wollte gehen. Blume hielt sie am Arm fest. Sie fuhr herum.
    »Hören Sie auf, mich dauernd anzufassen!«
    Er ließ sofort los und stellte sich ihr in den Weg. Halblaut sagte er:
    »Carl Josef Rosenberg starb 1942 im spanischen Gefängnis an einer zu spät erkannten Blinddarmentzündung.«
    Emma starrte ihn an. Blume trat zurück an den Tisch, nahm noch einen Schluck von dem Kaffee und verzog den Mund.
    »Das dürfte ich Ihnen eigentlich gar nicht sagen.«
    »Gefängnis?«, fragte Emma.
    »Er wurde mit einem internationalen Haftbefehl gesucht.«
    Blume schaute Emma an. Er sah jetzt nicht mehr selbstsicher aus.
    »Tut mir leid, dass ich Sie einfach festgehalten habe. Ich hab das Gefühl …«
    Sie schwieg und wartete ab. Er räusperte sich.
    »Ich hab das Gefühl, ich muss Sie aufhalten, bevor Sie in Ihr Unglück rennen.«
    Zu spät, dachte sie. Und fragte laut:
    »Und was verbirgt sich hinter diesen Jungen Fischen?«
    »Rosenberg hatte eine Fotografie auf dem Nachttisch stehen. Zwei Männer, mittelalt, die Aufnahme stammt vermutlich aus den 50er Jahren. Auf der Rückseite steht geschrieben: ›Liebe Miriam, das sind die Männer, die junge Fische fangen.‹«
    Emma schaute Blume nachdenklich an.
    »Eine Notiz an Miriam. Vielleicht hat sie das Foto ihrem Enkel gegeben. Oder er hat es nach ihrem Tod bei ihren Sachen gefunden.«
    Blume ging noch einen kleinen Schritt auf sie zu. Sie standen jetzt so nah beieinander, dass Emma ihr Kinn heben musste, um ihn anzusehen. Er ließ sie nicht aus den Augen und murmelte:
    »Vielleicht bedeutet es gar nichts.«
    »Rosenberg ist hier und forscht nach seinen Großeltern. Er hat eine Nachricht an Miriam mitgenommen und sie auf seinen Nachttisch gestellt. Es sieht so aus, als könnte es etwas bedeuten.«
    Blume antwortete nicht. Eine Ewigkeit standen sie so voreinander und sahen sich an. Gleich kriege ich eine Genickstarre, dachte sie.
    »Ich heiß Emma.«
    »Edgar.«
    Jetzt musste sie lachen. Er sah sie beleidigt an und trat einen Schritt zurück. Sofort bemühte sie sich ernst zu werden.
    »Tut mir leid. Aber … ich hatte mal ein Kaninchen, das Edgar hieß. Kann ich dich bitte weiter Blume nennen?«
    »Von mir aus.«
    Wieder Schweigen. Blume sah verstohlen auf seine Armbanduhr. Emma bemerkte es und dachte an den Kindersitz im Auto.
    »Emma, ich muss jetzt …«
    »Schon gut, hier gibt’s bestimmt irgendwo ’ne U-Bahn-Station.«
    »Nein, ich muss nur … ich hab schon das Spiel von meinem Sohn verpasst. Jetzt muss ich wenigstens kurz vorbeifahren und fragen, wie es war.«
    Emma nickte heftig. »Ja, klar, versteh ich.«
    Er beobachtete sie.
    »Wir leben getrennt. Johann ist meist bei meiner Frau.«
    Er spielte mit dem Autoschlüssel, der neben seiner Tasse auf dem Tisch lag.
    »Wir wohnen, ich meine, sie wohnen hier um die Ecke. Würdest du kurz im Auto warten?«
    Ihr Kopf brummte, und ihr war kalt. Aber wenn sie jetzt nein sagte, würde er sie wohl nicht noch einmal fragen. Sie nickte. Schweigend bezahlten

Weitere Kostenlose Bücher