Wer im Trueben fischt
Paare an den Nachbartischen hinüber, aber die waren entweder zu verschüchtert oder zu taub, um ihr zu antworten.
Als ob sie Emmas Blick spüren konnte, blickte sie zum Ausgang und ihr direkt ins Gesicht. Emma dachte an den Streit bei ihrem Abschied und blieb stehen. Aber dann lächelte Martha. Erleichtert ging Emma durch die offene Tür zu ihrem Tisch. Die alte Dame nickte gnädig mit dem Kopf auf den freien Platz neben ihr. Emma setzte sich. Martha beugte sich zu ihr rüber. Ihre Augen funkelten, ein Netz mit unzähligen Furchen zog sich über ihr Gesicht.
»Besser als eine Partie Dame, oder?«
Sie lehnte sich wieder zurück und schaute stolz in die Runde, als ob sie die Gastgeberin wäre.
»Viele wichtige Leute hier. Die meisten kenne ich seit Jahrzehnten.«
Sie zupfte Emma am Ellenbogen und wies mit dem Kinn zur gegenüberliegenden Ecke. Am Tisch saß ein Mann um die fünfzig im Anzug mit Fliege.
»Otto Schulze, ehemaliger Bürgermeister von Zehlendorf. War in seiner Jugend Tennisstar bei Rot-Weiß.«
Jetzt schaute sie auf den Tisch neben dem Kamin. Eine ältere Dame war gleich von drei Männern umringt.
»Fritzi Bach, war ein Filmstar in den Sechzigern. Als Fassbinder und Konsorten dann kamen, war sie abgemeldet. Ich weiß noch, wie sie mal bei den Filmfestspielen ausgebuht worden ist. Die alte Schachtel tut aber immer noch so, als wäre sie in Hollywood.«
Emma lachte, Martha strahlte. Die Frau in dem hellroten Kleid war mindestens fünfzehn Jahre jünger als Martha.
Jetzt kam ein schlanker Mann mit weiß gewelltem Haar durch die Flügeltüren. Er blieb stehen und schaute durch den Salon. Martha klatschte leicht in ihre Hände, die in weißen Spitzenhandschuhen steckten.
»Den sollten Sie sich merken. Hans Meyer-Latour. Verlegt die beiden größten Zeitungen hier in Berlin.«
Sie nahm einen Schluck Champagner und beobachtete den Mann.
»Ist vielleicht mal ein Arbeitgeber für Sie.«
Emma drehte sich um. Meyer-Latour stand noch immer an der Tür und beobachtete die Fernsehaufzeichnung. Dann wandte er wieder den Kopf. Hinter ihnen schien er einen Bekannten entdeckt zu haben. Er hob die Hand zum Gruß und schritt schnell quer durch den Raum. Ohne einen Blick ging er dabei auch an Martha vorbei. Sie hatte ihre Handtasche geöffnet und schien etwas zu suchen. Als der Mann an ihnen vorbei war, ließ sie die Tasche zuschnappen, hob den Kopf und lächelte Emma an.
Später dachte Emma, in diesem Moment hätte sie etwas merken müssen. Verstehen können, dass diese Frau so einsam war, dass sie Bekannte aufzählte, die keinerlei Notiz von ihr nahmen. Aber Emma war nervös und auf ein Gespräch mit Bohmann senior aus. Sie war gerne bereit, Martha zu glauben, dass sie hier unter Freunden war. Weil sie hoffte, dass es ihr bei ihrem Plan half. Sie beugte sich zu der eleganten alten Frau vor.
»Helfen Sie mir, Bohmann zu sprechen?«
Marthas Lächeln verschwand. Sie schaute Emma prüfend an.
»Geht es Ihnen immer noch um die alte Geschichte?«
Emma nickte. Martha seufzte.
»Ich weiß nicht, was das bringen soll. Er wirft alles durcheinander.«
»Ich dachte, er wäre noch so fit?«
In diesem Moment lachte Alexander Bohmann laut auf und warf den Kopf zurück. Es klang künstlich. Die Fernsehjournalistin legte den Kopf schräg. Martha warf einen Blick auf die Szene und zuckte mit den Schultern, während sie Emma antwortete.
»Das geht manchmal ganz schnell in dem Alter.«
Als Emma nicht reagierte, drehte sich Martha wieder zu ihr. Sie schauten sich einen Moment fest in die Augen. Dann seufzte Martha wieder. Sie griff mit der Linken nach ihrem Stock und hielt sich mit der rechten Hand am Tisch fest. Schwerfällig stand sie auf und ging auf die Halle zu. Emma folgte ihr. Sie warf einen Blick zurück in die Runde. Alle schauten noch immer auf die Szene am Kamin. Da kreuzten sich ihre Augen mit denen von Alexander Bohmann. Er sah sie und geriet ins Stottern. Die Frau vom Fernsehen schob schnell eine Frage hinterher. Zwei Sekunden später hatte sich Bohmann wieder gefangen und antwortete ihr souverän, den Blick fest auf das Mikrofon gerichtet. Emma ging schnell aus dem Raum.
Martha hatte schon fast den Fahrstuhl erreicht. Er war halb von der hölzernen Freitreppe verdeckt, offensichtlich nachträglich eingebaut. Als sie auf den Knopf drückte, bewegte er sich mit einem leisen Summen wie ein hochtouriger Mercedes. Sofort stand ein Mann im schlichten blauen Anzug neben ihr. An seinem Ohr klemmte ein kleines
Weitere Kostenlose Bücher