Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen
küsse ihre Schultern, massiere sanft ihre rechte Brust, höre ein leises Stöhnen, küsse ihren Bauch, ziehe Luisa den Slip aus. Sie berührt mit ihren Händen meinen Kopf, der zwischen ihren Schenkeln steckt. Sie sagt, sie wolle mich in sich spüren. Ich gleite wie ein Wellenreiter auf ihren Körper.
»Wow!«, urteilt Luisa einige Zeit später.
»Ja, nicht schlecht«, untertreibe ich maßlos.
Luisa schlägt mir mit der flachen Hand auf die Brust.
»Wofür?«
»Eigenlob stinkt.«
Auf Flugzeuge zu warten ist noch nerviger als verspätete Züge. Über eine Stunde sitzen wir jetzt schon in der Wartehalle. Das Frustrierende ist, dass wir die Maschine von hier aus sogar sehen können. Und was wir sehen, beunruhigt uns. Bullige Männer in verschmierten Overalls schrauben an der Tragfläche unserer Maschine herum. Eine weibliche Stimme bittet über Lautsprecher immer wieder um Geduld. Den Grund für die Verzögerung nennt sie nicht, aber wir sehen auch so genug. Luisa hat sich ebenfalls noch nicht erklärt. Sie hat heute Morgen kaum mit mir gesprochen. Weder beim Frühstück noch auf dem Weg zum Flughafen.
Luisa liest ein Buch, ich lese auf meinem neuen Kindle. Von meiner brillanten Idee, das Bücherregal im Wohnzimmer auszuräumen, die alten Schwarten zu digitalisieren, bei eBay zu versteigern und in Zukunft nur noch elektronische Bücher zu kaufen, war Luisa nicht gerade begeistert. Sie liebe ihre Bücher, hat sie gesagt. Sie könne ohne ihre Bücher nicht leben. Bücher seien für sie, was Fußball für mich wäre, zog sie einen schiefen Vergleich. Bücher und Fußball zu vergleichen, ist wie Fisch und Fleisch gegeneinander aufzuwiegen. Wenn ich ein Chateaubriand haben kann, nehme ich doch keine grätenverseuchte Dorade.
Aber so sind die Frauen – wissen nichts und doch alles besser. Als Mann stehen dir zwei Möglichkeiten zur Auswahl: Entweder du bleibst, wie Barnie, dein Leben lang Single. Oder du arrangierst dich in einer Beziehung.
»Was ist?«, fragt Luisa plötzlich.
»Was soll sein? Ich denke nach.«
»Über uns?«
»Gewissermaßen.«
»Und?«
Ich denke an den Ring in meiner Tasche. Ich könnte es gleich hier hinter mich bringen. Im Terminal 2 am Franz-Josef-Strauß-Airport auf die Knie sinken und um Luisas Hand anhalten. Dann wären wir, ihr Einverständnis vorausgesetzt, verlobt, bevor der Flieger abhebt. Ich stelle mir das einen kurzen Moment lang irgendwie romantisch vor. Wäre eine schöne Allegorie auf unser bewegtes Zeitalter, das einundzwanzigste Jahrhundert, die mobile Gesellschaft, die Rastlosigkeit auf dem Planeten Erde. Außerdem wäre ein Antrag in einer Abflughalle mal was anderes, weniger Klischeebeladenes. Ich bin mir aber sicher, dass Luisa das nicht so toll finden und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mein Gesuch ablehnen würde.
»Unsere Maschine ist nun bereit zum Boarden«, dröhnt es aus den Lautsprechern, bevor ich den Versuch trotzdem unternehmen kann.
»Oh«, brummt Luisa. »Ich geh noch schnell aufs Klo.«
Sie gibt mir einen Kuss auf die Wange, reibt dann mit ihrem Daumen den Lippenstift von der Stelle, auf die sie mich geküsst hat, und verschwindet. Ich hasse Flugzeuge im Allgemeinen, Luisa hasst Flugzeugtoiletten.
Als die Maschine abhebt, ist sie wie ausgewechselt. Sie hält sogar meine Hand und lächelt. Wenn sie mich so anlächelt, liebe ich sie am meisten.
Die Fahrt von dem kleinen Insel-Airport zum Hotel dauert nicht lange. Sylt kannte ich bislang nur aus diesen Besserverdiener-Reportagen im Fernsehen, wo der Tenor immer lautet: zu versnobt, nicht mehr das, was es mal war. Man sollte aber nicht alles glauben, was gesendet wird. Mir gefällt die Insel. Und auch unsere Mitreisenden in dem kleinen Bus machen einen ganz vernünftigen Eindruck. Niemand lässt Austern und Champagner kreisen.
Luisa unterhält sich mit einer Frau über den Duft der Insel. Fast könnte man glauben, wir seien doch auf Sauftour, so blumig und adjektivisch ist diese Unterhaltung. Gut gelaunt höre ich zu und lasse die beiden Damen ungestört ihren olfaktorischen Diskurs führen.
Unser Hotelzimmer ist auch sehr okay. Von dem kleinen runden Balkon aus kann ich das Meer sehen. Es schimmert hinter den Dünen. Ein Windhauch kitzelt mich an der Nase, die Sonne scheint. Fast gefällt es mir schon, was an ein mittleres Wunder grenzt. Normalerweise brauche ich immer ein paar Tage, um mich zu akklimatisieren, mich mit den Gepflogenheiten vor Ort vertraut zu machen, zu wissen, wen man
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