Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen
mir die Nase. Mark steigt gerade aus der Wanne.
»Wieso gehst du?«
»Weil mir langweilig ist. Und meine Füße schrumpeln.«
»Du Mädchen.«
»Außerdem habe ich Hunger. Ich zieh mich schon mal an.«
Dann muss ich jetzt wohl auch. Ich wasche meine Haare und föhne sie trocken. Als ich dampfend in einem weißen Bademantel ins Schlafzimmer komme, liegt Mark halb angezogen auf dem Bett und schaut eine Simpsons-Folge, die sogar ich schon kenne: Homer und Bart sind im Stahlwerk, und die harten Kerle entpuppen sich als homosexuelles Partyvölkchen. Mark kichert. Heute Abend muss ich wohl ganz harte Geschütze auffahren, um den Mann in ihm zu erwecken. Ich entscheide mich für den Push-up-BH und das viel zu dünne Sommerkleid, da ich mir sicher bin, dass Mark sowieso im Hotel essen will. Sie sind berühmt für ihre Steaks hier – und das auf einer Insel.
Im Fernsehen läuft gerade der Simpsons-Abspann, als ich meine Ohrringe anlege. Mark streckt sich ausgiebig, steht auf und steigt in sein rechtes Hosenbein. Hüpf, hüpf, hüpf. Warum er das nicht im Sitzen macht, wo er doch so offensichtlich keinen Gleichgewichtssinn hat, ist mir schleierhaft. Schließlich hält er sich mit einer Hand am Schrank fest und schafft es in das zweite Hosenbein. Ich schaue ihm zu und bin ein bisschen gerührt. Manchmal ist er schon sehr niedlich.
Während er sich im Bad einschließt, um irgendwas von den Dingen zu tun, die Männer angeblich nie machen – ich glaube, er zupft die Haare auf seinen Ohren aus –, lasse ich unauffällig meine Hand über die Taschen seines Jacketts gleiten. Da ist das Kästchen. Ich spüre es ganz deutlich. Er nimmt es also mit zum Essen. O mein Gott! Soll das etwa ein Heiratsantrag werden, bei dem er einen Verlobungsring in meine Serviette einfaltet, während ich auf dem Klo bin? Das will ich auf keinen Fall! Am Ende fällt er mir in die Bratensoße oder in den Wirsing, und dann haben wir den Salat. Auf einen klebrigen Ring, der nach Majoran riecht, habe ich keine Lust. Überhaupt: Solche Anträge gehen gar nicht. Total vorhersehbar. Ein Freund von mir war mal in diesem Drehrestaurant auf dem Olympiaturm. Während der zweieinhalb Stunden, die er dort mit seiner Freundin verbrachte, wurden um die beiden herum sage und schreibe drei Heiratsanträge gemacht. Und jedes Mal wieder: hyperventilieren, Freudentränen, Ja hauchen. Das glaubt doch kein Mensch, dass sich die dritte Braut nicht gedacht hat: So, so, hast erst zwei gebraucht, die vorausgehen, was?
Wobei es natürlich genau so ist. Männer brauchen andere, die vorausgehen. Mal abgesehen von Reinhold Messner vielleicht, aber dessen Abenteuerlust ist ja schon fast zwanghaft. Andere müssen erst mal sehen, wo der Weg hinführt, den sie einzuschlagen gedenken. Ich bin mir sicher: Wenn Barnie seit acht Jahren glücklich verheiratet wäre und zwei niedliche Kinder hätte, würde auch Mark bald heiraten wollen. Bestimmt hätte er mir dann längst einen Antrag gemacht. Aber nein, die fabelhaften Bier Boys haben es beide nicht so mit festen Bindungen.
Aber zurück zum Antrag. Ich will weder einen Verlobungsring, der in mein Dessert vergraben ist, noch einen auf dem Grunde meines Sektglases. Das ist mir alles zu sehr Klischee. Und bei meinem Glück würde ich den Ring wahrscheinlich verschlucken, er würde irgendwo stecken bleiben, man müsste meinen Magen aufschneiden und mit der Narbe auf dem Bauch würde mich Mark dann vielleicht nicht mehr wollen!
Der Kästchenbesitzer kommt aus dem Bad, grinst mich an und reibt dabei seine Ohrläppchen. Na also. Ertappt. Dann bietet er mir wohlerzogen den Arm an: »Luisa, lass uns heute hier essen. Sie sind berühmt für ihre Steaks!«
»Ich dachte es mir schon.«
»Du wirst es auch lieben. Ich habe vorhin auf die Speisekarte geschaut, du kannst auch einen Rucola-Salat haben.«
»Du hast auf die Speisekarte geschaut? Wann hast du das denn bitte gemacht?«
»Während du das Formular an der Rezeption ausgefüllt hast. Da musste ich doch erst mal die Nahrungslage checken!«
Nahrungslage checken, aha. Ich kenne nicht viele Menschen, die im Stillen befürchten, sie könnten in einem schicken Hotel auf einer touristisch ausgesprochen gut erschlossenen Nordsee-Insel verhungern.
Leise seufzend lässt Mark sich im Restaurant auf seinen Stuhl sinken. Der Kellner sieht nett aus, es ist behaglich warm. An der Wand hängt ein bisschen maritimer Schnickschnack: Fischernetze, Seesterne, Muscheln. Mark bemerkt, dass ich die Deko
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