Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen
meiden und wessen Nähe man suchen sollte.
»Gefällt es dir schon?«, fragt Luisa vorsichtig.
»Könnte schlimmer sein.« Ich denke an dieses fürchterliche Zimmer in Paris.
Luisa klatscht in die Hände und strahlt. »Gehen wir spazieren?«
»Was?«
»Träumst du?«
»Nein, entschuldige. Ich musste nur gerade an was denken.«
»An was?« Luisa, die Misstrauische.
»An dich.«
»Lügner.«
Ich liebe Spaziergänge am Strand. Am liebsten bei schlechtem Wetter. Trotzdem will ich jetzt nicht undankbar sein und über die Sonne schimpfen. Es ist, wie es ist. Man kann nicht alles haben. Die Kunst liegt im Verzicht. Einfach mal glücklich sein. O Gott, ich höre mich ja an wie Paulo Coelho, von dem Luisa einmal behauptet hatte, ich müsste unbedingt eines seiner Bücher lesen. Das würde mir die Augen öffnen.
»Zieh deine Schuhe aus«, befiehlt sie.
»Warum?«
»Tu’s einfach.«
Luisa streift ihre Schuhe ab und wühlt mit den Zehen im Sand. »So«, sagt sie, als wäre ich ihrer Sprache nicht mächtig.
Ich nicke. Bin ich eigentlich ein komplizierter Typ, nur weil ich nicht gern Sand zwischen den Zehen habe?
»Los!« Luisa lässt nicht locker.
Ich schaue gequält drein und tue es ihr schließlich gleich. Barfuß im Sand – fühlt sich gar nicht so schlecht an. Etwas kühl zwar, aber auch erfrischend und tatsächlich befreiend. Ich spüre, wie das Leben an meinen Fußsohlen pulsiert, obwohl es ja nur Sand ist. Wir gehen nah am Wasser entlang. Ab und an bekomme ich etwas ab. Es kribbelt an den Zehen. Ohne große Worte schlendern wir dahin. Wenn Luisa und ich Protagonisten in einem Liebesfilm wären, ginge nun am Horizont die Sonne unter und wir küssten uns so leidenschaftlich, als gäbe es kein Morgen. Im Off spielten Geigen Wonderful World . In der Realität aber ziehen immer mehr Wolken auf. Die Sonne geht in Deckung.
»Ich glaube, es fängt gleich zu regnen an«, sage ich.
»Na und?«
»Ich habe keinen Regenschirm dabei.«
»Du bist ja auch kein Spießer.«
»Was ist denn an einem Regenschirm bitte spießig?«
»Alles.«
»Sehe ich anders.«
»Wollen wir uns deshalb streiten?«
»Nein, aber …«
»Schscht«, macht Luisa zärtlich und schlingt ihre Arme um mich. »Nichts aber.«
Wir küssen uns im einsetzenden Nieselregen.
»Ich liebe dich, Mark.«
»Ich liebe dich auch, Luisa.«
Wir laufen zurück zum Hotel, ziehen unsere nassen Sachen aus und gehen gleich wieder ins Wasser. Die Badewanne am Panoramafenster mit Blick auf die Dünen rechtfertigt zwar den Preis für das Zimmer nicht wirklich, aber sie entschädigt wenigstens.
Luisa
Während ich in der Wanne auf Marks behaarter Brust liege und in die Dünen starre, frage ich mich, ob er etwas bemerkt hat von meinen Nöten. Ich bin vielleicht ein wenig zickig seit gestern Abend. Aber hey, ich habe nicht den Geschlechtsverkehr eingestellt, was ja sonst stets Ursache für ein Du hast doch was -Gespräch ist. Und am Strand fiel es mir ganz leicht, die Sache mit dem Ring zu vergessen. Es ist wunderschön, mit Mark spazieren zu gehen. Je mehr Sand dabei unter unseren Füßen ist, desto besser.
Nicht, dass es in der Badewanne nicht schön wäre. Vor allem, da ich Mark schon in den ersten Wochen unserer Beziehung klargemacht habe, dass er nicht mal zu versuchen braucht, mich zu Sex in der Wanne zu überreden. Ein einziges Mal hatte ich welchen. Hätte mich Dr. Sommer nicht darauf vorbereiten können, wie schmerzhaft das ist? Oder mir zumindest empfehlen, ich solle dabei keinesfalls unten liegen? Ich hatte danach einen riesigen Bluterguss auf den Lendenwirbeln und wollte eine Woche lang nicht mehr angefasst werden. Jedenfalls nicht am Rücken. Blöd nur, wenn wohlmeinende Freunde einen bei der Begrüßung ganz fest umarmen und man ihnen nicht erklären will, warum einem das gerade nicht so recht ist. Autsch!
Mark ist also sehr friedlich und knabbert an meinem Nacken herum. Regentropfen prasseln gegen die Fensterscheibe. Ich lasse heißes Wasser nachlaufen und versuche ernsthaft, die Sache mit dem Kästchen zu vergessen. Eigentlich ist es ja ganz einfach: Entweder, Mark möchte mir hier auf Sylt Schmuck schenken. Dann freue ich mich. Oder aber nicht. In dem Fall habe ich nach dem Wochenende noch genug Zeit herauszufinden, für wen das Geschenk sein könnte, und den Mann, der bei mir wohnt, mit Strychnin im Kaffee zu vergiften. Mit diesem beruhigenden Gedanken schlafe ich ein.
Ich wache auf, weil mein Kopf unter Wasser rutscht. Prustend reibe ich
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