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Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Titel: Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Baehr , Christian Boehm
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lassen?«
    »Ach, das.« Lilly kichert. »Erstens wollte ich dir den Anblick nicht vorenthalten, zweitens wollte er sich sofort und persönlich bei dir entschuldigen, und drittens …«
    »Drittens?«
    »Barnie sagte, diese Jogginganzüge würden furchtbar im Schritt kratzen. Da hab ich mir gedacht, das ist doch eine ziemlich gute Strafe.«
    »Frau Staatsanwältin, wenn ich mich nicht schon anderweitig entschieden hätte, würde ich heute dich heiraten.«
    Als Mark aus dem Schlafzimmer tritt, sieht er wieder ganz manierlich aus. Er ist sehr schick in seinem Anzug. Nicht so hinreißend wie ich natürlich, aber ich kann mich ja schlecht selbst heiraten. Zufrieden konstatiere ich, dass seine Kinnlade herunterklappt. Mein Kleid ist wirklich toll.
    »Du siehst so schön aus«, flüstert Mark andächtig und zupft fasziniert an meinen Spitzenärmeln.
    »Extra für dich.«
    »Entzückend, ihr Turteltauben«, unterbricht uns Francesco völlig unbeeindruckt vom Zauber des Augenblicks. »Auf geht’s, wir sind spät dran.«
    Dank Francescos wildem Fahrstil kommen wir pünktlich an. Barnie und mein Vater stehen neben Lilly und meiner Mutter wie kleine Jungs, die etwas angestellt haben und heute nicht mehr zum Spielen rausdürfen. Marks Mutter ist mit ihrem aufstrebenden Jungregisseur da, Marks Vater mit Priska, und dazwischen steht Marie. Nanu? Marie?
    »Ich weiß, das ist eigentlich eine Familien- und Trauzeugenveranstaltung«, flüstert sie mir zu, als ich ihr um den Hals falle. »Aber dein Bruder hat mich eingeladen. Ich hoffe, das ist okay?«
    »Aber ja! Ich freu mich, dass du dabei bist. Jetzt ist Francesco auch nicht so allein.«
    »Ich glaube, der ist selten allein«, meint Marie vielsagend. Hinter ihr öffnet sich die Tür des Trausaals, und ein anderes Brautpaar kommt raus. Wenn man sich das so vorstellt mit dem Heiraten, denkt man irgendwie nie daran, dass vor und nach einem eine endlose Brautpaarschlange durchgeschleust wird.
    »Hoffentlich lüften die noch«, murmelt Lilly neben mir. Ihr wird zurzeit öfter mal schwindlig. Für eine Hochschwangere hatte sie einen anstrengenden Morgen, schließlich rettet selbst eine Staatsanwältin nicht jeden Tag drei Delinquenten.
    Plötzlich bin ich sehr aufgeregt. Die Trauung rauscht an mir vorbei, während ich mich an Marks Hand klammere. Der Standesbeamte wirkt wie ein verkrachter Althippie und erzählt etwas von der Verantwortung, die man füreinander übernimmt, und dass so eine Ehe mehr sei als nur ein Steuersparmodell. Ach nee, was für ein Romantiker. Dann lächelt er huldvoll und zieht ein zusammengefaltetes Blatt aus seiner Sakkotasche.
    »Ich möchte nun für das Brautpaar ein Gedicht vortragen, das meine Ehefrau selbst geschrieben hat.«
    Mark drückt meine Hand so fest zusammen, dass ich fast schreien muss, und schaut mich entgeistert an. Wahrscheinlich überlegt er gerade, wo der Notausgang ist. Ich muss jetzt schon kichern, setze aber mein bestes Pokerface auf, während der Althippie das Blatt auseinanderfaltet, glattstreicht und sich räuspert.
    » Nun seid ihr beide hier
    Denn ihr wollt heiraten
    Das ist ein großer Schritt
    Drum sind eure Familien dabei … «
    Irgendwie hatte ich erwartet, dass das Gedicht sich reimen würde. Aber vielleicht habe ich einfach einen zu proletarischen Geschmack.
    » Euer Leben wird jetzt anders
    Ihr seid nie mehr allein
    Vielleicht bekommt ihr Kinder
    Die sind dann süß und klein … «
    Oh, ein Reim. Allein / klein . War wahrscheinlich ein Versehen. Hinter mir tarnt Barnie einen Lachkrampf als Hustenanfall. Ich drehe den Kopf und sehe Francesco, der seine Fußspitzen fixiert, und meine Mutter, die sich ein Taschentuch vor den Mund hält. Ihre Schultern beben.
    » Für die Zukunft wünschen wir
    Euch Lachen, Liebe, Sonnenschein
    Die Fackeln der Erotik … «
    Neben mir explodiert ein Vulkan. Mark lacht dem Althippie mitten ins Gesicht. Hinter mir legt Barnie wieder los, auch meine Mutter prustet jetzt ungeniert. Ich rutsche fast vom Stuhl vor Lachen. Marie rettet die Situation, indem sie »Bravo!« ruft und applaudiert. Das Gelächter geht im aufbrandenden Applaus unter, als die anderen auch klatschen. Der Althippie schaut säuerlich in die Banausenmenge und steckt das Gedicht des Grauens weg. Was nun mit den Fackeln der Erotik ist, werde ich wohl nie erfahren.
    Ab jetzt geht alles ganz schnell, denn der Standesbeamte ist beleidigt. Aufstehen, möchten Sie, ja, möchten Sie auch, ja, zack, zack, fertig. Mark küsst mich, und dann

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