Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen
fünf Jahre her, aber …
»Die Gegenstromanlage«, sage ich und schlage die Hände vors Gesicht, während die anderen vor Lachen brüllen. Anna liest meine Mail vor, die ich damals an sie geschrieben habe: Mister Supersportler hat ein winziges Schwimmbecken mit Gegenstromanlage, weil man da angeblich viel effektiver trainieren kann als in so einem Riesenpool. Während er vorne seinen Schmetterlingsstil und seinen Hintern präsentiert hat, wurde ich vom Wasser an die Rückwand gepresst und bin nicht mehr losgekommen. Ihr solltet mich sehen, ich bin viel flacher als letzte Woche. Leider auch breiter.
»Das war grauenvoll. Der Typ hat auch nie mehr angerufen.«
»Wärst du rangegangen?«
»Niemals.«
Nachdem meine Freundinnen ausgiebig meine unrühmliche Vergangenheit durchgehechelt haben, verabschiedet sich Verena nach Hause zu ihrem Baby. Marie aber verkündet, dass nun erst die eigentliche Überraschung käme. Ich solle mich doch mal mit meinem Stuhl vom Tisch wegdrehen und mir die Augen verbinden lassen.
»Marie, um Himmels willen. Hatte ich nicht gesagt, ich will keinen Stripper?«
»Doch, das hattest du. Aber glaub mir, diesen willst du unbedingt.«
Leise protestierend lasse ich mir die Augen verbinden. Ich kann diesen Blödsinn nicht ausstehen. Vielleicht ist es meine katholische Erziehung oder meine brave italienische Herkunft, aber ich will keine halb nackten Männer anfassen, die ölig glänzen und professionell grinsen. Diese Geschichten, in denen Bräute am Abend vor der Hochzeit mit dem Stripper durchgebrannt sind, halte ich für absoluten Quatsch. Mehr mentale Distanz als zwischen einer vollständig angezogenen Braut und einem Dienstleister im Tanga kann es doch gar nicht geben. Anna tätschelt mir mitleidig die Schulter, und ich frage mich gerade, ob man mir eigentlich unter meinen kurzen Rock schauen konnte, als die Musik zu You Can Leave Your Hat On wechselt. Dann nimmt Marie mir das Tuch ab. Ungefähr fünf Zentimeter vor meinem Gesicht wackelt ein Männerhintern hin und her. Glücklicherweise in Jeans. Und auch ein T-Shirt trägt der Stripper. Dass er beim Hinternwackeln so laut lacht, dass es selbst die Musik übertönt, kommt mir aber doch komisch vor. Ich werfe einen skeptischen Blick hoch zu seinem Hinterkopf. Die dunklen Locken dort kommen mir sehr bekannt vor.
»Francesco!«
Ohne das Lachen auch nur eine einzige Sekunde einzustellen, dreht sich mein Bruder zu mir um und strahlt mich an. Er sieht unverschämt ausgeruht aus, hebt mich zur Begrüßung hoch und drückt mich an sich.
»Schwesterchen! Dachtest du wirklich, ich komme morgen nicht mit zum Standesamt?«
»Ja!«
»Nun ja, eigentlich dachte ich das auch.« Langsam setzt Francesco mich wieder ab. »Aber als erst unsere Mutter und dann Marie mir am Telefon den Kopf gewaschen haben, habe ich es mir anders überlegt.« Er wirft Marie einen kurzen Blick zu, bei dem es Funken aus seinen braunen Augen sprüht. Marie zwinkert. »Sie hat mir außerdem versichert, dass ihr mit dem peinlichen Mädelsteil des Abends schon durch seid und ich deshalb jetzt bleiben und mich mit euch betrinken darf.«
Drei Stunden später hängen Anna und ich müde auf unseren Stühlen. Marie und Francesco wirken dagegen verdächtig lebhaft und sitzen eng nebeneinander. Wie zufällig lasse ich eine Cocktailserviette vom Tisch fallen, bücke mich danach und werfe dabei einen Blick unter den Tisch – die beiden halten Händchen. Entzückt schnappe ich nach Luft. Als wir wenig später die Segel streichen, geht Francesco aber ganz gesittet mit mir nach Hause. Auf diese Weise werde ich am Morgen meinen Trauzeugen bei mir haben, der mir den Reißverschluss hochziehen kann. Mark will sowieso bei Barnie schlafen, weil auch mein Kleid für das Standesamt eine Überraschung für ihn sein soll. Lilly, meine Mutter und ich haben den drei Herren sicherheitshalber eingeimpft, die Trauung finde um zehn Uhr statt, damit sie nicht die ganze Nacht saufen.
In Wahrheit ist der Termin eine Stunde später. Also noch genug Zeit, dass die Jungs bis dahin wieder nüchtern sind. So hatte ich das zumindest geplant.
Allerdings klingelt schon um halb neun Uhr morgens das Telefon. Lilly ist dran.
»Hmpfhallo?«, nuschele ich in den Hörer. Ich wollte noch ein bisschen länger schlafen.
»Luisa, es gibt ein Problem …«
»Nein, bitte nicht. Ich hasse Probleme. Was ist denn passiert?«
»Barnie und Mark sind heute Nacht nicht nach Hause gekommen.«
Ich setze mich im Bett auf und
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