Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen
und verlassen thront das Gotteshaus über dem Voralpenland, inmitten von Feldern voller Gold. O Gott, ich werde schwülstig!
Barnie drückt, wie um mir die unausgesprochenen Floskeln auszutreiben, das Gaspedal durch. Ich werde in den Sitz gedrückt. Wenn jetzt ein Hase oder was Größeres auf das Sträßchen springen würde, male ich mir in Gedanken aus. »Ruhig, Brauner!«, versuche ich den Rennfahrer in Barnie zu zähmen. Aber der ist gerade voll in seinem Element.
Mit quietschenden Reifen und einer Hundertachtzig-Grad-Drehung bringt er seinen Wagen vor dem Kircheneingang zum Stehen. Luisas Mutter stürzt aufgeregt winkend auf uns zu, öffnet ruckartig die Beifahrertür, zerrt mich mit aller Kraft heraus und küsst mich auf beide Wangen. Dann erst sieht sie mich böse an, schnauft durch und setzt zu der Frage an, wo wir so lange ge-steckt haben, bricht aber ab, noch bevor die Worte ihre Lippen überschreiten. »Husch! Aufstellung. Die Gäste warten.«
»Wo ist Luisa?« Die Frage sei mir gestattet.
Valentina zeigt auf einen fetten Benz, ein Cabrio. Noch ist das Verdeck geschlossen. »Los jetzt, Mark. Und viel Glück.«
»Kommst du, Barnie?«
»Aber bitte nicht Händchen halten, wenn’s geht.« Mein Trauzeuge wischt sich grinsend den Schweiß von der Stirn und stellt sich dann neben mich. Gemeinsam schlendern wir durchs Portal. Über uns läuten die Glocken. Mein erster Eindruck: Verdammte Scheiße, ist das schön! Ein wenig kitschig vielleicht, aber das sind Hochzeiten halt. Sonst bräuchte man ja nicht heiraten. Es sieht aus, als wollte meine Schwiegermama eine kleine Mottoparty in dem Gotteshaus veranstalten: ganz in Weiß mit tausend roten Rosen. Einen Augenblick fallen Barnie und mir die Kinnladen herunter.
Barnie lächelt schief. »Tja, mein Freund, da musst du jetzt durch!«
Beim Gang zum Altar sehe ich viele Köpfe. Nach fünf Schritten bin ich im Tunnel. Aus den Augenwinkeln erkenne ich meinen Vater, Priska und die Zwillinge auf der rechten Seite. Meine Mutter und ihr junger Lover sitzen auf der anderen. Ah, da sind ja auch Onkel Salvo und die Nonna. Wirft sie mir eine Kusshand zu? An der vordersten Bankreihe bleibt Barnie stehen, gibt Lilly einen Kuss und streichelt über ihren kugelrunden Bauch. Sie sieht ein bisschen abgekämpft aus. »Schickes Hemd«, höre ich sie feixen.
Ich nicke dem Pfarrer und den ernst dreinblickenden Ministranten zu. Der Monsignore schaut auf seine Rolex und wackelt dabei mit seinem kahl rasierten Schädel. Er hat etwas Päpstliches an sich. So von oben herab, so unfehlbar. »Schön, dass Sie’s doch noch einrichten konnten, Herr Doktor«, begrüßt er mich.
Bevor ich etwas erwidern kann, setzt die Orgel bereits ein.
Der Monsignore faltet seine Hände und reckt sein fliehendes Kinn noch weiter nach vorne. Die Festgemeinde springt auf wie einstudiert. Luisa erscheint in einem Lichtkegel, am Arm ihres Vaters. Ich könnte niederknien bei diesem Anblick.
Barnie stupst mich mit dem Ellbogen in die Seite. »Wow!«
Ausnahmsweise hat er recht.
Würdevoll schreiten Luisa und ihr Vater durch die Kirche. Carlo nickt den Gästen zu, Luisa lächelt mit ihm um die Wette. Wir sind fast am Ziel. Wir zwei. Das fühlt sich gut an.
Mir ist schwindlig, und mein Herz schlägt bis zum Hals. Luisa sieht atemberaubend aus. Sie ist die schönste Frau der Welt. Adieu, ihr Victoria’s-Secret-Models. Ich sehe den Stolz in Carlos Augen. Zwei Meter noch, dann übergibt er seine Tochter.
Jetzt. Genau in diesem Augenblick. Ein magischer Moment.
Ich fühle Luisas Hand in meiner. Wir sehen uns in die Augen.
»Alles Gute«, murmelt Carlo. »Buona fortuna!«
Ich nicke ihm dankbar zu.
Mein Schwiegervater zwinkert zurück. »Pass gut auf sie auf, mein Junge.«
»Ich versprech’s.«
Luisa
Man hat mir vor der Hochzeit einiges erzählt über wasserfestes Make-up. Nach einem Experiment mit einem traurigen Film, der eines Nachts im Spätprogramm lief, kann ich sagen: Wenn man richtig heult, schmiert es zwar nicht, aber es bröckelt. Deshalb habe ich mir fest vorgenommen, mit dem Geheule bis nach der Kirche zu warten. Mark soll keine Frau heiraten müssen, die aussieht wie die Berliner Gedächtniskirche. Aber ich kann mich wirklich nur mit Mühe zusammenreißen, als er meine Hand nimmt und mich mit diesem Blick anschaut, mit dem Frauen eigentlich immer von ihren Männern angesehen werden wollen: zärtlich, überwältigt, aber auch ein bisschen amüsiert.
Hinter uns setzt sich die Gemeinde, und
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