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Wer ist Martha? (German Edition)

Wer ist Martha? (German Edition)

Titel: Wer ist Martha? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjana Gaponenko
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verrühren, aus dem Fenster werfen. Fertig.«
    »Oder!«, die Stimme des Barmanns greift Lewadskis Nervensystem an, »der Merry Widow Number One!«
    »Nummer eins?«, fragt Herr Witzturn benommen. Lewadski fasst sich an die Brust. Das Gebiss ruht nach wie vor in seinerMundhöhle. Nicht schlafen, befiehlt er sich, nicht mit einer Wimper klimpern.
    »Merry Widow ist nach wie vor ein Cocktail, den viele Herren gerne für ihre weibliche Begleitung bestellen. Vermouth Dry, ein paar Spritzer Benedictine und Orange-Bitter, ein Tropfen Anisette, Gin und eine dicke Zitrone, im Rührglas verrühren und in die vorgekühlte Damenmiene abseihen. Verführung pur.«
    »Ich bin für das Pur-Trinken«, haucht Herr Witzturn.
    »Port ist auch ein wunderbares Getränk, zu edel, um es mit etwas anderem zu vermischen.« Der Barmann holt einen tropfenden Silberbecher mit einer, wie es Lewadski scheint, Blumenrankengravur aus dem Spülbecken und trocknet ihn ab. »Den weißen Port als Aperitif-Wein im Sommer kennen nur die Experten, gekühlt harmoniert er am besten mit einer Flasche wie Churchill zum Beispiel. Churchill soll ein passionierter Port-Trinker gewesen sein.« Die Stimme des Barmanns flattert in nervösen Kreisen um Lewadskis Ohr. »A woman is only a woman, but a Port is a Port!«
    »Apport, apport!«, bellt Herr Witzturn und klettert einen Trinkhalm hoch.
    In einer beschlagenen Cocktailschale mit Zuckerrand und Zitronenscheibe macht er eine gute Figur, obwohl er in fremden Wäldern wildert, denkt Lewadski.
    »Lore, Lore, Lore, Lore! Schön sind die Mädchen von siebzehn, achtzehn Jahren!«, ruft Herr Witzturn von seinem Trinkhalm herunter. »Frauen erschöpfen sich letztendlich. Schöpfen sich aus. Und ein Port ist ... Lore, Lore, Lore, Lore ... unerschöpflich! Herr Lewadski, schwimmen Sie doch eine Runde mit mir!«
    Lewadski hätte nichts gegen eine Abkühlung. »Ich weiß nicht, ich weiß nicht ...« Lewadski zögert, Herr Witzturn flößt ihmauf einmal weniger Vertrauen ein als ein Marienkäfer. »Ich bin es nicht gewohnt, in fremden Getränken zu schwimmen ...«
    »Von mir aus«, hört er Herrn Witzturn brummen. Die gespreizten Flügel kündigen seine Bereitschaft an, sich in die Tiefen des Getränks zu stürzen. Wenn es nur sein eigener Cocktail wäre, denkt Lewadski, in fremden Gewässern zu baden ist ... fragwürdig.
    »Bee’s Kiss, Muddy River, Rusty Nail, Velvet Hammer, Sahne, Creme de Cacao«, zählt der Barmann andächtig auf, »Wodka und Eiswürfel, schütteln und kräftig verschütten. Fertig.«
    »Lore, Lore, Lore, Lore ...«
    »Bobby Burns, Salty Dog, Pussy Foot, Polar Bear, White Russian, Green Russian, Red Russian, Black Russian«, flüstert der Barmann mit immer tiefer werdender Stimme.
    »Da sind wir wieder beim Thema Neger!«, kichert Lewadski.
    »Darauf sollten wir trinken«, nuschelt Herr Witzturn.
    Langsam schließt sich Lewadskis zweites Auge. Nach innen oder nach außen? Er weiß es nicht, nur eines ist sicher: Herr Witzturn wird gleich in seinen Cocktail springen. Sein Summen wird leiser. »Lore, Lore, Lore ...«, krächzt er flehend. Er wird springen, denkt Lewadski, dieses Leid wird gleich ein Ende nehmen. Gleich ist der alte Dulder mit seiner lieben Toten vereint. In den Fluten der Liebe.
    »Ore, ore, ore!« Dem gurgelnden Jubelruf von Herrn Witzturn folgt der Sprung in den Cocktail. Was dann kommt, hört sich zu Lewadskis Entsetzen an wie der Aufprall eines Körpers auf einer Eisdecke.
    Mit einem Räuspern meldet sich der Barmann zu Wort. Flying Dutchman würde er den Herren empfehlen. Dickflüssig sei er nicht, doch durchaus damengerecht. Klar und schnittig, hoher Flug, steiler Abgang.
    Die Herren sind einverstanden.
    »Ihr Klavierlehrer interessiert mich ungemein. Wenn ich versuche, ihn mir vorzustellen, kann ich mir beinahe vorstellen, wie es ist, den Verstand zu verlieren«, gesteht Lewadski. Herr Witzturn fängt wieder an, sich die Augen zu reiben.
    »Ich verstehe nicht, was Sie meinen.«
    »Plötzlich war es mir, als wäre ich Sie und Ihr Klavierlehrer hätte mir Klavierunterricht gegeben und nicht Ihnen. Und Sie wären es gewesen, dem ich all die Geschichten erzählt habe, die ich von Ihnen heute Abend die Freude hatte zu hören.«
    »Ich verstehe nicht.« Herr Witzturn verliert mehrere unsichtbare Wimpern, während er immer weiter seine Augen reibt. »Was macht es für einen Unterschied, ob Sie meinen Klavierlehrer gekannt haben oder ich? Er ist tot. Nur das zählt.«
    »Ich hoffe

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