Wer Ja sagt, muss sich wirklich trauen
Selbstmitleid, den Sie gerade erwähnt haben. Möchten Sie mich darüber aufklären? «
Ein vorbeifahrendes Fahrzeug wurde langsamer, blieb aber nicht stehen. Bree sah ihm hinterher. » Das ist eine langweilige Geschichte. «
» Ich gebe es zwar nur ungern zu, aber an manchen Tagen heitert es mich auf, mir die Probleme anderer Leute anzuhören. «
Bree musste lachen, und die Anspannung war gebrochen. » Ich kenne das. « Sie wischte sich die Hände an ihrer kurzen Hose ab. » Wollen Sie es wirklich hören? «
» Macht mich das zu einem schlechten Menschen? «
» Sagen Sie nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt. « Bree kratzte gedankenverloren an einer Lackkruste auf ihrem Arm. » Letztes Jahr im November kam ich von einem Lunch in unserem Country Club nach Hause und traf meinen Mann an, als er gerade seine Sachen im Wagen verstaute. Er meinte, er habe unser privilegiertes Leben satt und reiche die Scheidung ein – ach ja, und er wolle ganz neu anfangen mit seiner Seelenverwandten, einer neunzehnjährigen Aushilfe aus seinem Büro, die das Zweifache ist von mir. «
» Autsch. «
» Es kommt noch schlimmer. « Die Sonnenstrahlen, die durch die Baumkronen drangen, ließen sie jünger aussehen, als sie war. » Er sagte, ihm sei klar, dass er mir für zehn Jahre Ehe etwas schuldig ist. Darum könne ich alles haben, was übrig bleibe, nachdem die Schulden getilgt seien. Schulden, von denen ich bis dahin nichts gewusst hatte. «
» Netter Kerl. «
» Das war er nicht einmal, als ich ihn kennenlernte. Ich wusste das vorher, aber er war schön und klug, und alle Mädels in meiner Studentinnenverbindung waren verrückt nach ihm. Unsere Familien waren seit Jahren befreundet. Er gehörte zu den Wunderknaben von General Motors, bevor Detroit in sich zusammenfiel. « Sie vergaß ihre Befangenheit und zündete sich eine neue Zigarette an. » Scott und seine Aushilfskraft sind nach Seattle gegangen, um dort ihr Glück zu versuchen. Die Schulden haben alles verschlungen, was wir hatten. Ich habe nur ein Jahr studiert und keinerlei Berufserfahrung. Ich hatte keine Ahnung, wovon ich leben sollte. Eine Weile wohnte ich bei einem meiner Brüder, aber nachdem ich monatelang kaum mein Zimmer verließ, ließ meine Schwägerin mir ausrichten, ich hätte ihre Gastfreundschaft ausgereizt. « Bree schnippte Asche auf den Rasen, nachdem sie einen tiefen Zug von ihrer Zigarette genommen hatte. » Ungefähr zur selben Zeit kontaktierte mich Myras Anwalt. Er informierte mich darüber, dass Myra gestorben war und mir ihr Grundstück vermacht hatte, zusammen mit ihrem Enkelsohn. Ich hatte Toby davor nur ein paarmal zu Gesicht bekommen, vor Jahren, als Myra mich besuchte. Und jetzt bin ich hier. Herrin über mein Reich. « Ihr Blick wanderte über den Stand, und sie stieß ein selbstironisches Lachen aus. » Haben Sie schon etwas Erbärmlicheres zu hören bekommen? Ich bin mit sämtlichen Privilegien aufgewachsen, außer mit einem Rückgrat. « Bree trat die halb gerauchte Zigarette aus. » Ich kann mir vorstellen, was Sie denken, nach allem, was Sie in Ihrem Leben geleistet haben. «
» Von meiner Hochzeit wegzulaufen? «
» Vor allem das. « Brees Augen bekamen fast einen verträumten Ausdruck. » Woher hatten Sie den Mumm dazu? «
» Ich würde das nicht gerade als Mumm bezeichnen. «
» Ich schon. « Genau in diesem Moment fuhr ein Wagen heran. Bree steckte die Zigarettenschachtel in ihre Hosentasche. » Danke für Ihr Vertrauen. Ich werde Sie nicht verraten. «
Lucy hoffte, dass Bree ihr Wort halten würde.
Auf dem Nachhauseweg wurde Lucy bewusst, dass sie ihren Honig vergessen hatte, aber ohne die Aussicht auf warmes Brot, auf das man ihn hätte streichen können, sparte sie sich die Mühe umzukehren. Ein Haufen aus zerlegten Etagenbetten, alten Matratzen und den hässlichen Vinylgardinen aus dem großen Schlafraum lag neben der Einfahrt und wartete darauf, abgeholt zu werden. Der Lieferwagen war weg, und als sie das Haus betrat, hörte sie, dass über ihr etwas Schweres über den Boden geschleift wurde. Es war wohl zu viel der Hoffnung, dass es Pandas Leiche war.
Sie durchquerte die Küche, um hinauszugehen, und bemerkte dabei, dass der alte Kühlschrank verschwunden war. An seinem Platz stand ein hochmodernes doppeltüriges Gerät aus Edelstahl. Nach dem unzureichenden Frühstück hatte Lucy schon wieder Hunger, also zog sie beide Kühlschranktüren auf. Und stellte fest, dass ihre ganzen Lebensmittel weg waren. Ihre
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