Wer Liebe verspricht
ein glühendes Prickeln in ihrem Nacken aus.
»Olivia, ich habe alle Entscheidungen in meinem Leben völlig selbständig getroffen. Und oft war ich dabei grausam. Aber das hat mich nicht von ihnen abgehalten. Jetzt muß ich dich bitten, eine Entscheidung für mich zu treffen.«
Sie hielt den Atem an. »Ja?«
Er nahm zärtlich ihr Gesicht in beide Hände, die sich kühl und feucht anfühlten. »Da ich offenbar nicht die Kraft dazu aufbringe, mußt du die Entscheidung treffen, mich nie wieder zu sehen.«
Kälteschauer liefen ihr über den Rücken. Sie sollte eine so willkürliche, selbstzerstörerische und masochistische Entscheidung treffen? Sie sollte nie wieder so wie jetzt neben ihm sitzen? Sie sollte freiwillig auf die Berührung seiner Lippen auf ihren Augen, seiner Hände auf ihren Haaren, den Anblick der hellgrauen Augen verzichten, die sie jetzt weich und verwirrt ansahen? Ihr sollte auf ewig die Möglichkeit verwehrt sein, die einsamen, schwermütigen Welten kennenzulernen, die hinter den trotzigen Mauern seiner Unzugänglichkeit lagen? Das hieße, aus ihrem Leben eine Wüste zu machen, und dann konnte sie ebenso gut tot sein!
Olivia legte ihre Hände auf seine und drückte sie gegen ihr Gesicht. Sie spürte, wie sich etwas Eiskaltes um ihr Herz legte und das Blut erstarren ließ. »Du weißt, daß ich diese Entscheidung nie treffen kann, Jai.« Ihre Stimme versagte. »Ich fürchte mich nicht, mutig zu sein. Ich fürchte nichts, solange ich dich nur sehen kann.«
»Du wirst leichtsinnig das Unheil heraufbeschwören.« Er schien fassungslos und sah ihr in die Augen, als suche er dort eine Antwort.
»Was ist das für eine Hartnäckigkeit, die dich dazu treibt?«
Sie lachte unsicher. »Diese Hartnäckigkeit nennt man … Liebe.«
Er wiederholte das Wort mit einem Anflug von Spott, dann sprach er es mehrmals aus, betastete es mit der Zunge, als schmecke er etwas, das er nicht kannte. Er ahnte nicht, welch unwiderrufliche Bindung und wieviel von sich sie ihm angeboten hatte. »Es ist nicht möglich, einen Menschen wie mich zu lieben«, erklärte er knapp. Er sah sie an, als sei sie ein verirrtes Kind, das sich nicht von seinen launischen Unarten abbringen läßt. »Selbst ich finde mich manchmal unmöglich und bis zur Unerträglichkeit exzentrisch.«
»Ich kann alles ertragen, was zu sein du dich entschließt.«
»Alles?« Er nahm sie nicht ernst.
»Ja, alles!« wiederholte sie heftig und ballte die Fäuste. »Warum kannst du mich nicht ernst nehmen?«
»Wenn ich es nicht tun würde, wäre ich nicht hier! Aber vielleicht sind deine angeblichen Gefühle für mich eine Chimäre, eine Fata Morgana, eine Illusion, der du nachhängst.« Er bog den Kopf zurück und betrachtete sie vorsichtig und mißtrauisch mit zusammengekniffenen Augen. »Ich weiß, du hast viel von Kinjal erfahren«, sagte er leise. »Bei deiner zwanghaften Neugier muß es so sein. Empfindest du deshalb … Liebe – oder Mitleid?«
Er schien wie immer ihre Gedanken mühelos zu erraten. Aber das gespannte Gesicht, das drohende Zucken eines Muskels unter der Schläfe schüchterten sie nicht ein. »Wenn ich Mitleid empfinde«, erwiderte sie bitter, »dann wegen deines Starrsinns, durch den du weder das eine noch das andere verdienst!«
Er mußte lachen, und seine Züge entspannten sich. Ihre Antwort amüsierte ihn. »Es ist der Gipfel der Unverschämtheit, wenn du, meine liebe, eigensinnige Amerikanerin, dich über meinen Starrsinn beklagst!« Er legte ihr den Arm um die Schulter, seine Hand glitt bis zu ihrer Hüfte, und er zog sie an sich. Mit unendlicher Zärtlichkeit küßte er sie hinter dem Ohr. »Du bist sehr eigensinnig, Olivia«, und mit einem tiefen Seufzer, »und ich bin schwächer, als ich geglaubt hatte.«
»Du? Schwach?« Sie lachte und schloß die Augen. Sie wagte nicht, sich zu bewegen.
»Schwach und verrückt – das ist eine gefährliche Kombination.« Seine Stimme klang rauh, als er ihr über das Haar strich. »Du machst es mir unmöglich, mich von dir fernzuhalten.«
»Warum solltest du das wollen?« Er hielt sie in den Armen, sein Widerstand schwand, und Olivia jubelte innerlich darüber, daß es ihr endlich gelungen war, wenigstens eine Bresche in die Mauer zu schlagen. Deshalb war seine Antwort für Olivia auch unwichtig, denn sie kannte sie bereits.
Aber er gab ihr die Antwort trotzdem. »Weil ich es nicht gewohnt bin, Sklave meiner Wünsche zu sein. Ich bin es nicht gewohnt, daß man mir
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