Wer Liebe verspricht
vertrieben. Sein Gesicht wirkte wieder ruhig und gelassen.
»Du mußt gehen«, sagte er und schob sich die dichten Haare aus der Stirn, »sonst wird dein Onkel den alten Slocum auffordern, dich mit einer Polizeitruppe suchen zu lassen.«
Olivia bewegte sich nicht. Angst erfaßte sie, denn er schwieg beharrlich, als er Jasmines Zügel von dem Ast löste und sie zu ihr führte. Wieder einmal schien er sie wegzuschicken. Aber diesmal war sie nicht bereit, das ohne weiteres hinzunehmen. Sie sah ihn herausfordernd an, als sie fragte: »Werden wir uns wiedersehen?«
Er schwieg selbst dann noch, als er den Sattelgurt nachzog. Dann drehte er sich um und sah Olivia ernst und abwägend an. »Möchtest du das wirklich?«
»Ja«, erwiderte Olivia mit gerötetem Gesicht. Sie fühlte sich gedemütigt, weil sie das Bedürfnis gehabt hätte, es von ihm zu wissen.
»Ich möchte es wirklich.«
Seine Finger glitten sanft über ihren Arm, die umwölkten Augen wirkten fern, als er seufzte: »Also gut.«
Olivia wurde rot. Sie riß ihm beinahe die Zügel aus der Hand.
»Wenn du glaubst, du tust es nur mir zuliebe …«
Er unterbrach sie heftig und gereizt: »Wenn ich es nur dir zuliebe tun würde, dann wäre es kein Problem. Leider erlaubt mir mein unbezwingbarer Egoismus, nur an mich zu denken. Ich ärgere mich, weil ich es nicht dir zuliebe tue!«
Olivia lächelte wieder. »Wann?«
»Bald.«
Voll quälender Ungeduld fragte sie: »Wie bald?«
»Sehr bald.«
»Wie willst du wissen, wo ich bin?« fragte sie tonlos und kam sich dumm vor. Aber sie konnte nicht lockerlassen.
»Ich weiß immer, wo du bist«, erwiderte er so sanft, daß sie ihm einfach alles verzeihen mußte.
Doch seine beiläufige Art, sein schlecht verhülltes Zögern verletzten sie. Als sie stumm aufsaß, vertrieb er ihr jedoch auch diesen Kummer. »Du ahnst nicht, Olivia«, murmelte er in ihre Hand, die er küßte, »wie sehr ich dich wiedersehen möchte.«
Er schloß ihre Finger über den hingehauchten Kuß, legte ihr die Hand behutsam in den Schoß und versetzte Jasmine einen Schlag auf die Flanke. Olivia wußte, daß er ihr nachsah, während sie davonritt und seinen Blicken entschwand.
Olivia flog wie der Wind nach Hause und war überzeugt, daß sie dazu nicht einmal ein Pferd gebraucht hätte. Sie wußte, nun konnte sie nichts mehr von dem eingeschlagenen Weg abbringen. Hindernisse, Gefahren, Fallen und alles, was kommen mochte, schob sie unbekümmert beiseite. Sie fühlte sich stark genug, um es für diese Liebe, diese eine Liebe mit der ganzen Welt aufzunehmen.
Außerdem – ein Zurück gab es schon lange nicht mehr.
*
Sir Joshua litt unter Hitzefurunkeln. Da sich der milde Winter näherte und es kühler war als im Sommer, wurde der Ausschlag weniger schlimm, als er in der heißen Zeit hätte sein können. Trotzdem verordnete Dr.Humphries strenge Bettruhe, und das half wenig, um seine Laune zu bessern. Er bestand darauf, sich jeden Tag Akten und Korrespondenz ans Krankenbett bringen zu lassen. Außerdem erhielt er beinahe täglich Besuch von Ransome und zu Lady Bridgets großem Mißvergnügen auch von Kashinath Das. In der Zwischenzeit ließ Sir Joshua seine Wut an Dienstboten, Familienmitgliedern und abwesenden Übeltätern aus. Seine ständig schlechte Laune brachte den ganzen Haushalt durcheinander und führte seine Frau an den Rand der Verzweiflung. Nicht einmal Estelle blieb verschont. Sie war daran gewöhnt, daß sie ihn um den kleinen Finger wickeln und sich mit ihren Launen bei ihm durchsetzen konnte. Seine plötzliche Schroffheit bestürzte und verletzte sie tief.
»Papa liebt mich nicht mehr«, flüsterte sie eines Morgens unglücklich, als er sie wegen einer Kleinigkeit besonders heftig angefahren hatte. »Er sagt, ich sei ein … ein egoistisches und undankbares AAas, und er hat mir mit der Peitsche gedroht, wenn ich Ma-Mama nicht gehorche!« Sie brach in Tränen aus.
Olivia war entsetzt. Sie wußte, daß ihre Cousine egoistisch und undankbar war, aber Estelle fand die willkürlich angedrohte körperliche Züchtigung zu Recht empörend – besonders angesichts des relativ neuen Status als Erwachsene, auf den Estelle immer noch ungeheuer stolz war.
»Dein Vater hat Probleme im Geschäft, Estelle«, sagte sie begütigend.
»Außerdem hält er die Geschwüre nicht nur für entwürdigend, sondern für eine teuflische List, um ihn vom Kontor fernzuhalten, wo man ihn dringend braucht, weil die polizeiliche Untersuchung noch läuft.
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