Wer Liebe verspricht
Dinge gesehen, die mich entsetzten und beschämten. Die gelben Teufel hatten natürlich keine Chance gegen unsere besseren Waffen, aber die körperliche Verfassung, in der sie sich durch den Opiumgenuß befanden, war erschreckend.« Er seufzte tief. »Ich kann Ihnen sagen, Miss O’Rourke, es war kein Anblick, auf den jemand stolz sein konnte. Wenn ich nach Kanton komme, bedrückt mich die Situation, die im wesentlichen unser Werk ist. Wir haben sie zu Sklaven dieser teuflischen Sucht gemacht, aus der es kein Entrinnen gibt.« Er wirkte zutiefst bekümmert, gab sich aber einen Ruck und lächelte sie dann nicht sehr glücklich an. »Nun ja, jeder gute Geschäftsmann weiß, daß für Gefühle kein Platz ist, wenn es um das Geldverdienen geht. Wir verkaufen, um Gewinne zu machen, und nicht, um die Menschheit zu bessern. Im Endeffekt kommt es auf die Bilanz an, nicht auf das Gewissen.« Er sagte das lächelnd, aber hinter seinen Worten lag Bitterkeit.
Olivia richtete sich langsam auf und betrachtete ihn mit neuem Interesse. Wieder einmal wurde der Gegensatz zwischen den beiden Partnern sehr deutlich. Im Vergleich zu Sir Joshuas Selbstbewußtsein und unbeirrbarer Entschlossenheit kamen ihr Ransomes Gedanken höchst ungewöhnlich vor. Sie konnte sich nicht vorstellen, daß ihr Onkel jemals Gewissensbisse hatte, weil er mit dem teuflischen Opium Geschäfte machte. Sie fand Ransome daher noch sympathischer. Außerdem war es aufregend, so offen über Jai Raventhorne zu reden. »Aber im Endeffekt«, sagte sie und nahm den Faden wieder auf, »muß Kala Kanta doch auch an die Bilanz denken. Wie kann er es sich leisten, seinem Gewissen zu folgen, wenn alle anderen es nicht können?«
»Er hat sich andere Mittel ausgedacht, damit die Bilanz stimmt.«
»Templewood und Ransome ist doch mit Sicherheit nicht das einzige Unternehmen, das an dem Dreiecksgeschäft Opium–Gold–Tee verdient. Greift er denn die anderen auch an?«
»Aber ja!« erwiderte Ransome trocken, »ich kann Ihnen versichern, in dieser Hinsicht ist Raventhorne sehr gerecht. Im Krieg zum Beispiel stand er offen auf der Seite der Chinesen! Er hat dem chinesischen Kommissar persönlich dabei geholfen, zwölfhundert Tonnen Opium zu verbrennen – zwölfhundert Tonnen! –, die in Tschen-kou lagerten und den Engländern gehörten. Für die Ostindien-Kompanie war das eine Einbuße von Millionen Taels – Millionen!«
Trotz der erstaunlichen Zahlen war Olivia nicht überrascht. Diese Tollkühnheit war für Raventhorne charakteristisch. »War deshalb in Indien eine Belohnung auf seinen Kopf ausgesetzt?«
»Ja.« Ransome erkundigte sich nicht, woher Olivia dies wußte.
»Raventhorne fährt schon immer unter amerikanischer Flagge. Da während der Feindseligkeiten der Pehkiang nur für britische Schiffe gesperrt war, durften er und andere die Blockade an der Flußmündung passieren. Viele amerikanische und andere ausländische Kapitäne fungierten bereitwillig als unsere Helfershelfer und brachten unser Opium ungestraft an Land – natürlich gegen eine gute Bezahlung. Raventhorne lehnte das ab. Er griff sogar jedes Schiff an, das Opium an Bord hatte, obwohl Amerika nicht an diesem Krieg teilnahm. Kann man uns deshalb vorwerfen, daß wir nach seinem Blut lechzten?« Er sah finster vor sich hin, lachte dann aber leise. »Nun ja, wir haben es nicht bekommen, keinen Tropfen. Statt dessen ist der gerissene Halunke unser Konkurrent und Nachbar geworden und macht uns das Leben zur Hölle.« Er lachte jetzt offen und laut.
»Oh, ich hasse ihn und seine Unverschämtheiten wie jeder andere auch, Miss O’Rourke, aber ich muß dem Teufel auch Gerechtigkeit widerfahren lassen. Er ist vielleicht so glatt und so giftig wie eine Kobra, aber tollkühn ist er auch, das muß man ihm lassen. Ja, das muß man wirklich. Und er hat weiß Gott, allen Grund, den verfluchten Mohn zu hassen, wenn man bedenkt …«
Ransome verstummte so plötzlich, daß Olivia ihn erstaunt ansah. Das Lachen hörte unvermittelt auf, und sein Mund schloß sich so schnell wie die Schalen einer Muschel. Er lief rot an und stand abrupt auf.
»Wenn man was … bedenkt?« Das Herz schlug ihr heftig gegen die Rippen, aber Olivia blieb hartnäckig sitzen, denn sie wollte nicht, daß das Gespräch an diesem Punkt abbrach. »Wenn man was bedenkt, Mr.Ransome?«
Aber der Augenblick war vorüber. Die Enthüllung – was es auch sein mochte – blieb unausgesprochen. Ransome lachte noch einmal leise und verlegen,
Weitere Kostenlose Bücher