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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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Macht – noch nicht, vielleicht sogar nie. Untröstlich ließ sie zu, daß er sich von ihr entfernte. »Weiß Gott, Jai, das wollte ich auch nicht …«
    Er griff wieder nach den Rudern. »Du hast mich gefragt, ob es etwas gibt, das ich nicht weiß. Es gibt etwas. Ich weiß nicht, warum du mich unbedingt lieben willst.«
    »Warum ich dich lieben will? Gibt es denn eine andere Wahl?« Auf diese Frage erwartete sie keine Antwort, und er gab ihr auch keine. Sie achtete düster sein Schweigen, aber bittere Gedanken bewegten sie. Sie hatten schon eine seltsame Beziehung – wenn man es überhaupt eine Beziehung nennen konnte! Sie waren weder Freunde noch Liebende – weder Fisch noch Fleisch. Sie gab ihm das Versprechen uneingeschränkter Liebe. Sie gab ihm alles. Er gab ihr Worte, eine Berührung, einen flüchtigen Blick, der beinahe nach Liebe aussah. Doch wie kostbar waren ihr inzwischen diese zufälligen Worte, Blicke und Zärtlichkeiten! Jai Raventhorne mochte unzugänglich in seinem Schneckenhaus sitzen, ein unnahbarer Fels und in seiner Unberechenbarkeit verletzend sein – aber sie hatte geschworen, ihn zu lieben, so wie er war. Selbst wenn sie nicht zu seinem inneren Kern vorstoßen konnte, so war er ihr doch lieber als alle Männer dieser Welt.
    Der Nebel hatte sich aufgelöst. Am Ufer saß geduldig der Bootsmann und wartete auf ihre Rückkehr. Außer einem Dhobi und seiner Frau, die ihre Wäsche auf einem Stein klopften, war niemand in der Nähe. Sie beachteten Jai und Olivia nicht, als das Boot knirschend ans Ufer stieß und der Bootsmann ihre Pferde herbeiführte.
    Olivia saß auf, ohne das Schweigen zu brechen. Jai hielt noch einen Augenblick ihre Hand. »Weißt du, was ich am wenigsten mag, wenn ich dich treffe, Olivia?« Sie schüttelte den Kopf, er legte ihre Hand an seine Wange. »Den Augenblick, wenn ich dich wieder verlassen muß.«
    Sie sah ihm nach, als Shaitan wie ein Sturmwind mit ihm davonflog, bis er in einer Staubwolke verschwand. Die letzten Worte schloß sie in ihr Herz wie Edelsteine in eine fast leere Schatzkammer. Sie hatte nicht gefragt, wann sie ihn wiedersehen würde, und er hatte es auch nicht gesagt. Aber diesmal fiel es ihr leicht, Geduld zu haben, denn sie würde ihn wiedersehen … nicht einmal oder zweimal, sondern wieder und wieder.
    Keine Macht der Erde konnte daran etwas ändern.
    *
    »Du wirst nie erraten, was ich gemacht habe!« Ausnahmsweise war Estelle einmal guter Laune. Als Olivia aus dem Badezimmer kam, saß sie auf dem Bett und aß einen Apfel. »Fragst du mich nicht, was?«
    »Nein.« Olivia hatte sich ein Handtuch um den Kopf gewickelt und rieb energisch die feuchten Haare trocken. »Du wirst es mir nämlich ohnehin sagen.«
    Estelle streckte ihr die Zunge heraus, aber ihre Augen strahlten. »Ich habe vorgetanzt!«
    Olivia sah sie groß an. »Für die Aufführung?«
    »Ja.« Estelle warf das Kerngehäuse aus dem Fenster. »Mr.Hicks findet, ich tanze sehr gut.«
    Schon seit Tagen tobte ein verbissener Kampf zwischen Estelle und ihrer Mutter. Eine fahrende Schauspielertruppe beabsichtigte, Kalkuttas Gesellschaft in der Weihnachtszeit mit einer Operettenversion von Aschenputtel zu unterhalten. Die Hauptrollen spielten die Mitglieder der Truppe, aber Mr.Hicks, der Leiter, versuchte, aus jungen Damen der Gesellschaft eine Tanzgruppe zusammenzustellen. Es war alles völlig harmlos, aber Lady Bridget hatte drei entscheidende Einwände dagegen, daß Estelle zu den Auserwählten gehören sollte: Erstens, Berufsschauspieler führen ein moralisch zweifelhaftes Leben, zweitens, die Tänzerinnen würden sich übertrieben schminken und zu spärlich bekleidet sein und drittens wußte man, daß Mr.Hicks ein persönlicher ›Freund‹ von Mrs.Drummond war.
    Olivia sah ihre Cousine nachdenklich an. »Weiß deine Mutter, daß du Mr.Hicks vorgetanzt hast?«
    »Nein, aber sie wird es erfahren, wenn er mich nimmt.«
    »Und wenn er dich nimmt, wird sie dir nicht erlauben aufzutreten – das hat sie dir bereits gesagt.« Sie kämmte sich die langen Haare.
    »Ich bin auch nicht sicher, daß Onkel Josh es erlauben wird. Dein Mr.Hicks wirkt wie ein Lebemann, auch wenn er es vielleicht nicht ist.«
    »Er ist es nicht. Er ist wirklich sehr nett – auch wenn er in der Öffentlichkeit in der Nase bohrt.« Estelle hob entschlossen die eigene.
    »Mir ist es gleich, was Mama diesmal sagt, Olivia. Wenn Mr.Hicks mich für geeignet hält, werde ich mitmachen. Und Papa wird nichts dagegen haben,

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