Wer Liebe verspricht
eher daran, daß er nicht in der Stadt ist.«
»Aber Josh! Olivia ist äußerst gut auf den jungen Freddie zu sprechen. Er hat ihr bereits dreimal von der Plantage geschrieben.«
»Das ist vielleicht ein Beweis seiner Verliebtheit«, erklärte er trocken, »aber kaum ein Beweis ihrer Gefühle für ihn. Ich bezweifle, daß Olivia sich die Mühe gemacht hat, ihm zu antworten.«
»Oh, das hat sie bestimmt getan, Josh! Ich werde Estelle fragen – ach, und da wir gerade von Estelle reden …«, sie runzelte die Stirn und trommelte gegen das Fenster der Kutsche, »ich bin wirklich am Ende meines Lateins bei diesem Mädchen. Du wirst mit ihr ein ernstes Wort reden müssen, ein sehr ernstes!«
Sir Joshua fluchte leise. »Bei meiner Seele, Frau, glaubst du, ich habe nicht schon genug Sorgen am Hals? Tu was du für richtig hältst, aber erspare mir diese alltäglichen Dinge!« Er schlug mit dem Peitschengriff gegen den Sitz des Kutschers, um ihn zur Eile anzutreiben.
»Wenn sie zu wild und unbändig ist, laß die Zügel etwas lockerer. Das funktioniert bei Pferden, und ich sehe keinen Grund, weshalb es bei einem hitzköpfigen jungen Mädchen wie Estelle anders sein sollte.«
»Soll ich die Zügel soweit lockern, daß ich ihr erlaube, bei dieser schrecklichen Aufführung mitzumachen?« rief Lady Bridget empört.
»Hast du den Verstand verloren, Josh?«
»Aufführung? Was für eine Aufführung?«
Als Lady Bridget ihrem Mann noch einmal wiederholte, was sie ihm bereits mehrmals gesagt hatte, hörte er bereits nicht mehr zu.
*
Olivia erhielt einen Brief von Kinjal, die sie zu den Dassera -Feierlichkeiten nach Kirtinagar einlud. Es war ein verlockendes Angebot, und Olivia freute sich darüber. Sie erwiderte den Brief ebenso herzlich, entschuldigte sich aber mit vagen Ausreden dafür, daß sie die Einladung nicht annehmen könnte. Der Gedanke, Kalkutta jetzt zu verlassen – und sei es auch nur für einen Tag, für eine Stunde –, war unerträglich. Außerdem standen Kinjals wohlgemeinte Warnungen wie eine Wand zwischen ihnen. Für die Meinungsverschiedenheiten zwischen Jai und dem Maharadscha, die ihr Onkel ausgelöst hatte, fühlte sie sich nicht länger verantwortlich. Jai Raventhorne hatte breite Schultern. Er konnte seine Probleme weiß Gott allein lösen. Die Lasten, die er auf dem Rücken trug, stammten alle aus der Zeit vor ihrer Bekanntschaft, und er würde sie bestimmt noch tragen, wenn sie nicht mehr da war.
Wenn sie nicht mehr da war …
Bei diesen Worten brachen Olivias Gedanken immer wieder ab. Sie machten ihr Angst. Ihre Zukunft war eine Sackgasse – wenn Jai sie nicht in seine Zukunft mit einbezog. Tat er das? Sie wußte es nicht, denn er sprach nie darüber. Entschlossen zwang sie sich, alles außer der Gegenwart zu vergessen.
»Kalkutta kann kein Dorf sein, wenn es möglich ist, daß ich mich weiterhin so ungestraft mit dir treffe!« stellte Olivia eines Tages zufrieden fest.
»Triffst du dich mit mir wirklich ungestraft?« fragte Jai.
Sie wußte, er spielte damit nicht auf das Risiko einer Entdeckung an, sondern verdrehte bewußt ihre Frage. Ihre Augen funkelten trotzig. Sie haßte es, wenn er zu solchen Vieldeutigkeiten griff. »Ja!«
»Dann bist du nicht so klug, wie ich dachte!« Er war an diesem Morgen nicht besonders guter Laune, daran gab es keinen Zweifel. Er war unruhig und gereizt und konnte nicht still sitzen. Seine Finger öffneten und schlossen die Schnalle des Pistolenhalfters, das er manchmal trug, wenn er später – wie er es nannte – ›ernste‹ Dinge erledigen mußte. Olivia überlegte, was der Grund für seine schlechte Laune sein mochte, als er plötzlich fragte: »Dein Freddie kommt bald zurück. Wirst du ihn wiedersehen?«
»Das kann ich kaum vermeiden«, erwiderte sie vorsichtig, denn das Thema Freddie Birkhurst machte ihn immer kratzbürstig. Insgeheim freute sie sich jedoch über die Anzeichen von Eifersucht.
»Willst du ihn heiraten?« Er setzte sich und sah sie durchbohrend an.
Sie hätte sich am liebsten einen Spaß mit ihm gemacht und ja gesagt. Aber angesichts seiner schlechten Laune verzichtete sie mit einem gewissen Bedauern darauf. »Nein.« Sie konnte es sich jedoch nicht verkneifen, ihren Vorteil zu nutzen. »Obwohl du mir das geraten hast. Du hast gesagt …«
»Ich weiß, was ich gesagt habe!« Er sprang wieder auf, riß den Colt aus dem Gürtel und schoß auf einen Quittenbaum. Eine gelbe, dicke Frucht fiel zu Boden, und das rosa
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