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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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entdeckt?«
    »Das werden wir morgen wissen, wenn er zurückkommt«, erwiderte ihr Onkel knapp.
    Unverkennbar mißfiel ihm das Thema, aber wenn Olivia etwas unternehmen wollte, dann mußte sie vorher alles wissen. Sie ließ sich nicht abschrecken und stellte verbissen die nächste Frage. »Und das Motiv? Was kann er für ein Motiv haben – Versicherungsbetrug, wie einige meinen?« Ihr Onkel reagierte nicht darauf, daß sie bereits gewisse Dinge wußte. Sie lachte, nahm eine der Glocken in die Hand und betrachtete sie aufmerksam. »Es ist nicht zu fassen, wozu sich einige Kaufleute hinreißen lassen. Mein Vater hat über Fälle von Brandstiftungen berichtet, nur weil die Besitzer die Versicherungssumme ergaunern wollten.«
    Auch das ablenkende Gerede rief bei ihrem Onkel keine Reaktion hervor. Er murmelte nur: »Ja, auch das könnte sein.«
    »Aber wenn man bedenkt, daß ein Mann umgekommen ist! Das muß doch eine Anklage auf Totschlag bedeuten …?« Sie hielt den Atem an.
    Er legte das weiche Fensterleder sorgfältig zusammen. Dann lehnte er sich zurück und sah sie über die Lesebrille hinweg an. »Wie ich sehe, hast du über die Angelegenheit nachgedacht«, erklärte er seltsam liebenswürdig.
    »Nicht mehr als alle anderen auch«, antwortete sie wegwerfend. »Mr.Ransome sagt, in der Stadt werde überall heftig darüber diskutiert, wie der Fall ausgeht.« Sie wies auf die Zeitung. »Besonders wenn Anklage auf Totschlag erhoben wird. Wenn er verurteilt wird, kann dieser Raventhorne viele Jahre hinter Gittern verschwinden, nicht wahr?« Mit klopfendem Herzen wartete sie auf seine Antwort.
    Unmerklich hatte sich Sir Joshuas Gesicht wieder verändert. Es wirkte jetzt seltsam ruhig. Er blickte an ihr vorbei und starrte zwischen Schreibtisch und Wand ins Leere. Er versank in tiefes Schweigen. Olivia versuchte, seine Stimmung zu erraten, aber es gelang ihr nicht. Sie fürchtete sich, denn auch in dem Schweigen lag eine Drohung. Sir Joshua kehrte mit einer gewissen Anstrengung in die Gegenwart zurück. »Ja«, sagte er mit hartem Gesicht, »wenn Slocum es will. Der Mann hat auch nichts anderes verdient.«
    »Wenn Slocum es will? Zuerst aber muß Arvind Singh Anklage erheben?!«
    »Arvind Singh wird Anklage erheben. Dafür wird Slocum sorgen.«
    »Sorgen? Wie das?« Olivia machte sich keine Gedanken mehr darüber, wie ihr Onkel ihre Fragen aufnahm oder deutete, denn sie mußte unbedingt Klarheit haben.
    »Für ein intelligentes Mädchen stellst du plötzlich ziemlich dumme Fragen!« Um diese scharfe Zurechtweisung wieder wettzumachen, lächelte er leicht. »Mein Kind, Kirtinagar ist vielleicht politisch unabhängig, wirtschaftlich keineswegs. Der Staat hat so gut wie keine Industrie, und Arvind Singh muß sehr viel von uns kaufen, um sein Volk ernähren zu können. Und deshalb«, sagte er leise, »muß er sich unserem Druck mehr oder weniger beugen.«
    Olivia wurde es schlecht. Sie hatte Angst. Sie erinnerte sich an Ransomes Worte – wie auch immer die Wahrheit aussah, die Fakten würden so zurechtgebogen, damit man Raventhorne hinwegfegen konnte. »Dann ist der Verdächtige Kala Kanta, und ihn wird man zum Schuldigen machen?«
    »Er ist schuldig!« erklärte Sir Joshua scharf.
    »Und wenn er sich stichhaltig verteidigen kann?«
    »Slocum wird nichts akzeptieren, was er vorbringt.«
    Wie konnte ihr Onkel das wissen? In Olivia stieg kalte Wut auf. Aber sie mußte noch eine Frage stellen – die wichtigste Frage, von der womöglich ihr Leben abhing.
    Sie zwang sich dazu, ruhig aufzustehen. Dann ging sie zu dem Schaukasten und stellte die letzte Glocke an ihren Platz. »Wenn ich das richtig sehe, beruht die Anklage auf den fünf Zeugenaussagen. Angenommen, der Angeklagte kann zweifelsfrei beweisen, daß er in dieser Nacht nicht in Kirtinagar war – was dann?«
    Ein Zucken, ein leichtes Zucken der Unsicherheit zeigte sich in seinen Augen. Sie wußte, er ärgerte sich über diese Frage, aber er ließ es sich nicht anmerken. »Rein theoretisch würde man dann die Anklage fallenlassen müssen«, erwiderte er kalt, »das ist völlig klar. Aber er wird kein einwandfreies Alibi haben.«
    Nun wußte sie es: Das Urteil war bereits gesprochen, der Baum gewählt, das Seil hing am Ast, und die Menge wartete ungeduldig auf das Opfer. Olivia stand auf. Sie wußte, was sie tun mußte. »Ich verstehe jetzt, was du mit deinen Worten sagen wolltest: ›Es gibt noch andere Möglichkeiten, einen Affen zu fangen!‹«
    Wenn er ihre

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