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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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getäuscht. Wenn Bahadur an Bord war, mußte auch Jai dort sein.
    Hoffnung, Angst und unerträgliche Sehnsucht bestürmten sie, während das Boot langsam über den Fluß fuhr. Aber Olivia empfand auch Zorn. Er hatte den Brief nicht entgegengenommen. Er wollte noch nicht einmal wissen, was sie ihm zu sagen hatte! Hielt er sie für so schwach? Glaubte er, sie hätte so wenig Selbstachtung, dieses nächtliche Abenteuer ohne zwingenden Grund zu wagen? Wenn sie sich über seine Zurückweisung hinwegsetzte, dann würde sie doch wissen, warum sie auch noch diese Demütigung riskierte …
    Als das riesige Schiff über ihr aufragte, verließ sie trotzdem der Mut. Jai würde wütend auf sie sein. Er würde sie nicht sehen wollen. Olivia schloß die Augen und erschrak vor der Kühnheit ihres Unterfangens und war nahe daran, dem Mann zu sagen, er möge sie ans Ufer zurückbringen.
    Dann holte sie tief Luft und wappnete sich gegen das Unvermeidliche. Zum Umkehren war es zu spät, denn in diesem Moment prallte das Boot gegen die Ganga. In der Stille hallte es wie der hohle Schlag auf eine riesenhafte Trommel.
    »Wer da?« rief von oben die Wache.
    Der Bootsmann sah Olivia über die Schulter hinweg fragend an, und nachdem sie ihm flüsternd Anweisung gegeben hatte, antwortete er: »Eine Dame!«
    Es entstand verblüfftes Schweigen. »Was will sie?«
    Olivia nickte ihm zu. Der alte Mann legte die Hände um den Mund und rief: »Sie will den Sarkar sprechen.«
    Oben hörte man, wie die Männer sich flüsternd berieten. Olivias Herz schlug schneller: Er war also an Bord, sonst hätten sie sofort geantwortet …
    »Der Sarkar empfängt keinen Besuch!«
    Olivias Lippen wurden schmal. Sie flüsterte dem Bootsmann etwas zu. Der Mann schüttelte verwundert den Kopf, aber dann rief er laut und deutlich: »Die Dame läßt dem Sarkar ausrichten, wenn die Strickleiter nicht in fünf Minuten herabgelassen ist, klettert sie an der Ankerkette an Bord.«
    Diesmal dauerten die Beratungen noch länger, und man hörte eilige Schritte. In dem folgenden scheinbar endlosen Schweigen sank ihr das Herz bei dem Gedanken, er werde ihre Drohung als lächerlichen Bluff abtun. Aber dann atmete sie triumphierend auf – die Strickleiter wurde herabgeworfen. Kurz darauf half man ihr an Deck.
    Bahadurs Augen wurden bei ihrem Anblick vor Überraschung groß. Dann faßte er sich, neigte den Kopf und legte ehrerbietig die Hände zusammen. Olivia nickte kurz und klopfte sich den Staub vom Rock.
    »Bitte, teile dem Sarkar mit, daß ich ihn sprechen möchte.« Sie sagte das so herrisch, wie man es von Memsahibs in Indien erwartete.
    Bahadur zögerte, verneigte sich und verschwand lautlos in der Tür, die zu den Kabinen führte. Olivia fuhr sich mit zitternder Hand über die schweißnasse Stirn. Sie sah ihren Atem in der kalten Luft als kleine Wölkchen. Wie wird er mich empfangen? Wird er mich überhaupt empfangen? Außer ihr stand nur die Wache an Deck. Der Mann starrte sie mit offenem Mund an. Als er ihren Blick sah, schloß er schnell den Mund und drehte sich um. Die schaukelnden Laternen verbreiteten ein sanftes, gelbes Licht, in dem das glänzende Messing der Reling blinkte. Die Spitzen der Masten verschwanden im Dunst der Nacht, hinter dem die Sterne kaum noch zu sehen waren. Olivia wartete mit versteinertem Gesicht. Sie würde nur kurz bleiben. Aber, wie kurz und wichtig auch immer, sie würde ihn sehen …
    Bahadur kehrte zurück. Mit versteinertem Gesicht verneigte er sich vor ihr. »Der Sarkar läßt Sie grüßen, bedauert aber, daß er im Augenblick nicht zu sprechen ist.« Er blickte verlegen auf die Holzdielen.
    »Dann frage den Sarkar bitte, wann er zu sprechen ist. Ich habe es nicht eilig«, fügte sie freundlich, aber entschlossen hinzu, »wenn nötig werde ich die ganze Nacht hier warten.«
    Bahadur verneigte sich und ging zum vierten Mal zur Tür, um eine Antwort zu überbringen. Olivia überlegte kurz, ob sie nur den Brief übergeben und eine vermutlich heftige Konfrontation vermeiden sollte, aber sie verwarf den Gedanken wieder: Ich habe das doch nicht alles auf mich genommen, um ihn schließlich doch nicht zu sehen! Sie reckte das Kinn und wartete, bis Bahadur in der Tür verschwand, dann folgte sie ihm unter Deck. Sie ließ ihn nicht aus den Augen und erinnerte sich unbestimmt an den Gang, der zu der großen Kabine führte. Bahadur blieb schließlich vor einer Tür stehen, aber noch ehe er die Hand heben konnte, um zu klopfen, stand sie neben

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