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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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mit zitternder Hand Estelles Brief. »Ich hatte keine Ahnung, nicht die geringste Ahnung …«
    Sie saßen weit weg vom Haus im Garten auf einer Eisenbank vor der Gartenmauer. »Ich wollte Sie nicht mehr beunruhigen, als es später unausweichlich sein würde. Ich weiß, Sie haben besonders viel zu tun, da Onkel Josh zur Zeit ausfällt.«
    Arthur Ransome schlug stöhnend die Hände vor das Gesicht. »Armer Josh, arme Bridget … o mein Gott! Wie sollen sie das überleben?«
    Olivia sah ihn mit versteinertem Gesicht an. »Bevor Sie zu ihnen gehen, müssen Sie wissen, was ich inzwischen unternommen habe. Ich bin mit Ihnen hier im Garten, damit wir unbeobachtet von den Dienstboten miteinander reden können.«
    Olivia berichtete ihm knapp und genau von ihren Aktivitäten. Sie schmückte nichts aus und enthielt sich jeden Kommentars. Ransome hörte zu, ohne sie zu unterbrechen. Sein Gesicht verzog sich immer schmerzlicher bei der unerfreulichen Aufzählung der Lügen und Halbwahrheiten, denn er erkannte, welche Auswirkungen sich aus dem Geschehenen ergaben. »Wir müssen herausfinden, welches Schiff gestern nach Europa ausgelaufen ist«, schloß Olivia.
    Gestern? Waren wirklich erst vierundzwanzig Stunden vergangen, seit die Welt für sie zusammengebrochen war? Kaum zu glauben, dachte sie staunend und sagte: »Ich hoffe, es gibt ein Schiff, sonst müssen wir uns etwas anderes einfallen lassen.«
    Ransome nickte benommen; er hatte sofort verstanden, worauf es ankam. »Ich werde mich darum kümmern. Ein dänischer Schoner sollte gestern mit einer Sendung von uns auslaufen. Aber steht fest, daß niemand Estelle vor der Abfahrt gesehen hat?«
    »Daran zweifle ich nicht«, erwiderte Olivia ruhig. »Ich glaube, Raventhorne hat alle Spuren verwischt.« Sie hatte den Namen mit bewunderungswürdiger Kaltblütigkeit ausgesprochen.
    Ransome begriff plötzlich mit aller Klarheit, in welch entsetzlicher Lage sie sich befanden, und ein Schauer lief ihm über den Rücken.
    »Ich kann nicht glauben, daß Jai, ja selbst ein Jai zu etwas so Bösem, so Abscheulichem fähig ist …!« murmelte er.
    »Man hat ihn in die Enge getrieben. Sie und Onkel Josh wissen das besser als jeder andere.« Olivia staunte, daß sie Worte zu seiner Verteidigung fand. Sie zweifelte an ihrem Verstand.
    Ransome ließ den Kopf hängen. »Ja. Er ist dazu getrieben worden. Das war schon immer so. Und es ist weiß Gott gerechtfertigt, daß er sich rächt, aber … nicht so, nicht so !«
    »Bei einem Zermürbungskrieg gelten keine Regeln, Mr.Ransome«, sagte Olivia verächtlich. »Wenn Sie vor nichts zurückschrecken, wie können Sie dann erwarten, daß der Gegner es tut?«
    »Ich weiß nicht«, murmelte er unglücklich, »vielleicht erwarte ich es auch nicht. Aber alle haben sich die Hände bereits blutig genug gemacht.«
    »Einige der Schuldigen werden ungestraft bleiben!«
    »Nein«, sagte er und schüttelte heftig den Kopf, »nein … Können Sie sich für uns eine schlimmere Strafe vorstellen?«
    »Vielleicht nicht«, erwiderte Olivia leise, »auch nicht für die Unschuldigen.«
    Gequält rief er: »Die Unschuldigen! Ja, die dumme, unschuldige Estelle und ihre Mutter werden am meisten leiden.«
    Olivia schwieg, denn sie war zu erschöpft und zu müde für Wortgefechte. Die Stunde des Zorns war noch nicht gekommen – vielleicht war es dazu auch schon zu spät.
    »Ich muß jetzt zu Josh und zu Bridget.« Ransome erhob sich mit schmerzenden Beinen quälend langsam. Er sah plötzlich krank aus.
    »Mir fehlen die Worte, sie zu trösten. Ich kann ihnen nur leere Phrasen anbieten, aber es bleibt mir nichts anderes übrig.« Er schwieg, nahm ihre Hand und drückte sie. »Mein liebes Kind, Sie sind für uns alle eine große Stütze. Möge Gott Sie dafür belohnen, daß Sie ein Kreuz auf sich nehmen, das nicht das Ihre ist.«
    Olivia lächelte.
    Der Abend kam und ging vorüber. Arthur Ransome blieb bei seinem Freund hinter verschlossener Tür im Arbeitszimmer. Vielleicht wirkte seine bloße Anwesenheit tröstlich. Olivia ließ die beiden allein. Sie saß geduldig an Lady Bridgets Bett, denn sie wußte, es konnte nicht mehr lange dauern, bis die Wirkung der Schlafmittel nachließ und ihre Tante wieder voll bei Bewußtsein sein würde. Die Wirklichkeit mochte noch so unerträglich sein, sie ließ sich nicht länger leugnen: Estelle war nicht mehr da. Möglicherweise war sie für immer gegangen. Ihre Eltern mußten sich damit abfinden, der unsagbare Kummer mochte noch

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