Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
Vom Netzwerk:
Deshalb hatte sie auf ausführliche Erklärungen verzichtet. Aber sie konnte und mußte Arthur Ransome als einzigen ins Vertrauen ziehen. Da Estelles Eltern von Kummer überwältigt und handlungsunfähig waren, brauchte Olivia dringend einen Verbündeten, oder sie würde den Verstand verlieren.
    Großer Gott, dachte sie, werde ich überhaupt in der Lage sein, das alles zu ertragen?
    Dr.Humphries erschien kurz vor dem Mittagessen noch einmal. Er untersuchte die schlafende Patientin, die nicht wußte, daß die Welt um sie herum zusammenbrach. Im Wohnzimmer wiederholte Olivia ernst die für die Allgemeinheit bestimmte Version der Geschichte. Millie Humphries liebte den Klatsch mit ebenso großer Hingabe wie Mrs.Drummond. Die beiden würden dafür sorgen, daß Olivias einleuchtende Lüge überall erzählt wurde. Mit einem flauen Gefühl im Magen gestand sich Olivia ein, daß sie dem Arzt, wenn nicht die ganze Wahrheit, so doch eine abgeschwächte Form anvertrauen mußte. Als Hausarzt und langjähriger Freund der Familie würde er sich nicht lange täuschen lassen. Im Augenblick brauchte sie eine kurze Atempause, und die sollten ihr die erlogenen Erklärungen verschaffen.
    Dr.Humphries staunte. »Hol mich der Teufel, das ist doch nicht möglich! Josh hat also schließlich nachgegeben?« Ihre Geschichte bezweifelte er nicht. »Das freut mich für Ihre kleine Cousine. Indien ist nicht der richtige Platz für ausgelassene junge Dinger, die sich amüsieren wollen. Deshalb liegt Bridget also im Bett …« Er nickte verständnisvoll. »Das Kind wird ihr fehlen. Estelle ist ihr Augapfel, auch wenn sie sich noch so heftig gestritten haben. Na ja, ich hoffe, Josh weiß, was er tut. Dieser junge Sturges ist auch in England, nicht wahr? Ich denke, es hat damit etwas zu tun. Ach übrigens, ist Josh noch da? Ich habe heute morgen seine Kutsche nicht in der Stadt gesehen.«
    »Ja, er ist da, aber er … schläft in seinem Arbeitszimmer.« Olivia unterstrich ihren Satz mit einem Blick, den Dr.Humphries richtig interpretierte.
    »Schon wieder?« Er schüttelte mißbilligend den Kopf. »Sagen Sie Josh in meinem Namen, wenn er nicht aufhört zu trinken, geht es ihm bald an den Kragen. Obwohl«, er schwieg und griff nach der Tasche, »ich ihn andererseits bestens verstehe. Er hat in letzter Zeit viel durchstehen müssen. Na ja, jeder gräbt sich selbst das Grab. Der eigensinnige Narr hat sich die verdammte Kohle in den Kopf gesetzt, von seinem Haß auf diesen niederträchtigen Mischling ganz zu schweigen. Richten Sie ihm bitte von mir aus, er muß mit dem Trinken aufhören!«
    Olivia lächelte. »Keine Sorge, Dr.Humphries, ich glaube, er weiß das.«
    Sie staunte darüber, daß sie lächeln, reden, Pläne machen, nachdenken und improvisieren konnte, ohne das Geringste dabei zu empfinden.
    Die Antwort auf ihre zweite Nachricht vom Vormittag traf kurz nach dem Mittagessen ein, bei dem wenig gegessen wurde. Rehman kam eine Stunde, nachdem er es hineingetragen hatte, mit dem unberührten Tablett aus Sir Joshuas Arbeitszimmer zurück. Olivia versuchte, der halb betäubten Tante Bridget ein paar Löffel Suppe einzuflößen, aber es lohnte die Mühe nicht, und sie gab es bald auf. Schon bei dem Gedanken an Essen wurde Olivia übel, und sie begnügte sich mit einer Tasse starkem, schwarzem Kaffee. Charlotte Smithers’ Antwort erleichterte sie. Nein, schrieb Charlotte, sie habe sich Estelles Aquarellfarben nicht ausgeliehen. Es sei wohl ein Irrtum von Estelle, wenn sie das glaube. Und zum Thema Ausleihen habe sie eine Bitte. Olivia möge Estelle doch daran erinnern, ihr die silbernen Sandalen zurückzugeben, die sie für die Aschenputtel -Proben dringend brauche …
    Nein, Charlotte wußte nichts. Damit war wieder eine Hürde genommen und wie ein Baustein dem Gebäude der Illusion hinzugefügt, hinter dem die Templewoods sich für eine Weile verstecken, Schutz und Frieden finden konnten.
    Frieden? Olivia mußte beinahe lachen. Würde in diesem Haus je wieder ein Mensch Frieden finden?
    *
    »Wie entsetzlich …!«
    Arthur Ransome sank in sich zusammen. Er wurde blaß, bekam keine Luft mehr und öffnete und schloß den Mund wie ein Fisch auf dem Trockenen. Kalter Schweiß trat auf seine Stirn, und nacktes Entsetzen stand ihm ins Gesicht geschrieben. Erst nachdem er zwei Tabletten aus einem Pillendöschen geschluckt hatte, das er aus der Jackentasche holte, fand er die Sprache wieder.
    »Warum haben Sie mich nicht sofort gerufen?« Er reichte ihr

Weitere Kostenlose Bücher