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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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Sie saß wieder einmal auf Estelles Bett, kaute Ingwerplätzchen, und sie hingen ihren Phantasievorstellungen nach. Olivia konnte einfach nicht glauben, daß sie hier im Garten der Templewoods saßen und so taten, als sei nichts geschehen, als sei ihre Welt noch in Ordnung, als habe es in dem erträumten Leben keine schrecklichen Verwüstungen gegeben. Sie gaben vor, wieder unverletzte und unbekümmerte Menschen zu sein.
    Beinahe unbekümmert – nicht ganz.
    Estelles Fröhlichkeit war forciert, eine Tarnung für quälende Spannungen. Ihre Stimme klang zu schrill, das Lachen zu übertrieben, die Gesten waren zu künstlich. Unter den schwarz umrandeten Augen hingen kaum getrocknete Tränen, und ihre Augen glänzten zu hell. Das elegante violettrote Samtkleid mit dem gewagten Ausschnitt zauberte den Hauch von großer Welt, aber die Gewandtheit, die sie mit aller Macht auszustrahlen versuchte, konnte ihre Nervosität nicht verbergen, denn noch war sie nicht geschickt genug, sie zu unterdrücken. In Wahrheit war Estelle todunglücklich.
    Und genau das hat sie auch verdient!
    Olivia empfand keine Spur Mitleid mit ihrer Cousine.
    So beängstigend die Aussicht auch war, es ließ sich im Laufe des Abends nicht vermeiden, daß Olivia schließlich mit ihrer Cousine allein war. Sofort nach dem Abendessen – steif und ungemütlich und noch immer von Estelles albernem Gerede beherrscht – sah sich Olivia in die Enge getrieben. »Ich weiß, du bist wütend auf mich, Olivia, aber ich muß unbedingt mit dir reden.«
    »Reden? Du hast bis jetzt nichts anderes getan, liebste Estelle!«
    Estelle hatte genug von dem falschen Getue und überhörte Olivias Anspielung. »Du kannst mir die Gelegenheit nicht verwehren, einiges zu erklären …«
    »Wenn etwas erklärt werden muß, dann bitte erkläre es deinem Vater. Mir bist du keine Erklärung schuldig.«
    Estelle unterdrückte ein Schluchzen. »Ich habe versucht, mit Papa zu sprechen, aber er reagiert nicht. Er hört nur zu, sagt aber nichts. Ich kann ihn nicht mehr erreichen.« Ihre Augen wurden feucht.
    »Bitte, Olivia, stoß mich nicht zurück!«
    Olivia seufzte tief und fügte sich in das Unvermeidliche. Darauf kam es nun auch nicht mehr an. Wenn Estelle ihren Vater nicht mehr erreichen konnte, dann würde es Estelle bei ihr ebenso ergehen. Mißmutig folgte sie Estelle die Treppe hinauf. Trotz der Anweisungen ihrer Tante hatte Olivia Estelles Zimmer unberührt gelassen. Und so war sie wieder mit der Vergangenheit konfrontiert. All die vielen jungmädchenhafte Dinge waren genauso wie früher. Aber Olivia wappnete sich entschlossen gegen den Ansturm der Sentimentalität. Ihre Cousine mochte noch so raffiniert und geschickt vorgehen, diesmal würde sie sich nicht täuschen lassen. Jedem seine eigenen Probleme. Und wie Estelles Probleme auch aussehen mochten, sie würde sie nicht zu den ihren machen.
    Estelle warf sich auf das Bett und machte ihrem unterdrückten Elend in einem heftigen Ausbruch Luft. »Ich kann es nicht ertragen zu sehen, was mit Papa geschehen ist! O Gott, was muß er gelitten haben!«
    Olivia mied das Bett und setzte sich auf einen Stuhl am Fenster.
    »Und das überrascht dich?«
    Estelle legte sich auf den Rücken und starrte an die Decke. »Nein, es überrascht mich nicht – jetzt nicht mehr«, erwiderte sie tonlos. »Vor einem Jahr hätte es mich überrascht. Ich wußte, er würde toben, vor ohnmächtiger Wut platzen und bitter enttäuscht über mich sein. Ich dachte, er würde mich verstoßen, mir das Haus verbieten, brüllen, schimpfen und all das tun, was empörte Väter in den billigen Romanen immer tun. Und Mama«, sie hob verzweifelt die Hände, »würde in Ohnmacht fallen, nach ihrem Riechsalz rufen und endlos jammern über den Skandal und über das, was ihre Freundinnen hinter ihrem Rücken sagen.« Estelle setzte sich mit angstvoll geweiteten Augen auf. »Ich hätte mir aber nie, nie träumen lassen, daß sie einfach … zerbrechen. Ich schwöre es, Olivia, das habe ich nicht gewußt. Wie sollte ich? Ich kannte die Wahrheit nicht. Niemand hat mir etwas gesagt …« Sie brach ab, als sei sie nicht sicher, wieviel sie sagen sollte und wieviel Olivia bereits wußte. Olivia blickte schweigend aus dem Fenster. »O Gott, … nein, es hat sich nicht zum besten gefügt!« Sie warf sich auf das Kopfkissen und begann zu weinen. »Es ist alles so falsch gelaufen, so falsch! Für mich war es nur ein Abenteuer. Ich wollte ihnen … eine Lektion

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