Wer Liebe verspricht
leichthin. »Aber ich sehe keinen Grund, bereits jetzt Alarm zu schlagen. Wenn wir Vorauszahlungen leisten müssen, dann tun wir es eben!« Sie machte eine Pause und lächelte.
»Das heißt natürlich, im Augenblick.«
Er starrte sie entsetzt über ihre Gelassenheit an. »Im Augen … bl …ick?« Er fand keine Worte. »Und wie, wenn ich fragen darf, sollen wir es auf den Augenblick beschränken?«
Olivia überhörte die Bissigkeit. »Ach, machen Sie sich keine Sorgen, Mr.Donaldson. Ich denke, wir werden uns bald etwas Entsprechendes ausdenken.«
Die Unbekümmertheit, mit der sie Donaldson beruhigt hatte, war verschwunden, als Olivia etwas später Arthur Ransome in seinem Büro aufsuchte. Vielleicht hätte es Donaldson eine gewisse Genugtuung bereitet, zu sehen, daß auch sie sich Sorgen machte. Olivia verschwendete keine Zeit mit Höflichkeiten. Sie fragte sofort: »Hat Raventhorne ein Angebot für die Daffodil gemacht?«
Es überraschte Ransome nicht, daß sie es bereits wußte. In den letzten eineinhalb Jahren hatte er große Achtung vor ihrer Fähigkeit bekommen, sehr schnell über alles Bescheid zu wissen, was in der Geschäftswelt geschah. Er verzog das Gesicht. »Wenn man es als ein Angebot bezeichnen kann. Es ist eher eine Beleidigung. Warum fragst du?«
»Kannst du dir einen Grund denken, weshalb er überhaupt ein Angebot gemacht hat?«
»Vielleicht sieht er, im Gegensatz zu mir, eine Möglichkeit, mit dem Schiff etwas anzufangen.«
»Und wirst du sein Angebot annehmen?«
Ransome zuckte die Schultern. »Warum nicht? So viel ist bereits verschleudert worden, Olivia. Die Daffodil ist ein Klotz am Bein, mit dem niemand etwas anfangen kann. Das Schiff wird vermutlich nie wieder in See stechen und ganz bestimmt nicht für mich. Die Zeit der Teepötte ist vorüber. Jetzt träumen alle nur noch von den Klippern, die selbst Clydeside bereits baut. Die Teepötte werden ohnehin bald alle verschrottet. Ja, ich werde Jais Angebot vermutlich annehmen.«
Olivia lehnte sich zurück und klopfte nervös auf die Schreibtischplatte. Sie dachte nach. »Meinst du, das Burmateakholz, das Mahagoni und das viele Messing der Daffodil würden insgesamt mehr bringen?«
»Du meinst, wenn man das Schiff ausschlachtet und zerlegt?« fragte er verblüfft. »Nun ja … möglicherweise schon.« Er legte den Kopf zurück und sah sie wehmütig an. »Die Daffodil war unser erstes Schiff. Sie lief als erste unter unserer Flagge. Wir sind mit ihr nach Kanton gefahren und haben die ersten Teekisten für Templewood und Ransome zurückgebracht. Die anderen Schiffe kamen später. Für uns hatte die Daffodil immer eine ganz besondere Bedeutung. Nun ja, alle anderen sind bereits verkauft.« Er seufzte. »Nein, ich weiß wirklich nicht, was Jai mit der Daffodil vorhat. Vielleicht braucht er tatsächlich, wie man sich erzählt, Feuerholz. Offen gesagt, es ist nicht weiter wichtig. Er kann mit seinem Geld machen, was er will.«
»Ich denke an jemanden, der das Schiff zerlegt und einen besseren Preis bezahlt, Onkel Arthur.« Ihre Augen funkelten.
»Wenn es dir nicht weiter wichtig ist, darf ich dann zuerst einmal einen Vorstoß machen?«
Er sah sie stirnrunzelnd an, dann lächelte er unsicher. »Ich höre geradezu, wie sich die Rädchen rastlos in deinem unermüdlichen Gehirn drehen! Was hast du diesmal vor, mein Kind? Willst du wieder ein weißes Kaninchen aus dem Zylinder ziehen?«
»Nein«, erwiderte Olivia wahrheitsgemäß, »ich denke diesmal an Kapitän Mathieson Tucker und an das, was er mir unter anderem erzählt hat.«
*
Es gab vieles, was Kalkuttas geordnete und klar abgegrenzte Gesellschaft an Hiram Arrowsmith Lubbock auszusetzen hatte, aber Hiram Arrowsmith Lubbock hatte mindestens ebensoviel an Kalkutta und seiner Gesellschaft auszusetzen. Er exportierte langstapelige amerikanische Baumwolle erster Qualität aus Mississippi nach Europa und England. Die John Company hatte ihn als Experten eingeladen, denn die bengalische Baumwollindustrie produzierte nur kurzstapelige Baumwolle, die sich für die Textilwebereien in Lancashire nicht eignete. Man hoffte, der amerikanische Experte werde die hiesige Baumwollproduktion wieder in Schwung bringen. Lubbock seinerseits war nach Kalkutta gekommen, um zum zweiten Mal im Leben das große Glück zu machen, und das sagte er offen und ehrlich jedem, der es hören wollte. Er hatte gehört, Kalkuttas Straßen seien mit Gold gepflastert. Aber nach seinen eigenen Erfahrungen (und auch damit
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