Wer Liebe verspricht
Geldverleiher, und zwar ein reicher. Er ist nützlich. Das sind sie alle, Liebes, das sind sie alle.«
Olivia brummte der Kopf, ihre Beine zitterten, und sie war mit ihren Nerven so gut wie am Ende. Sie betete nur noch darum, daß der große Tag kommen und endlich vorbeigehen werde. Abgesehen von den verschwenderischen Ausmaßen gab es keinen Grund dafür, daß diese Burra Khana für sie weniger langweilig sein sollte als die anderen, auf denen sie gewesen war. Es gab jedoch einen Lichtstreif am Horizont: Die gütige Hand des Schicksals (oder war es der Ausrutscher bei den Pennyworths?) hatte Freddie aus Kalkutta entfernt und auf seine Indigoplantage in Nordbengalen geschickt. Trotzdem, so entschied sie verdrießlich, würde der Abend eine Strafe für sie werden.
Doch Olivias Pessimismus sollte sich als unberechtigt erweisen. Auf Estelles Debütantinnenball hatte sie eine Begegnung, die ihrem Leben eine andere Richtung geben sollte.
*
Estelles Geburtstag und der letzte Monsunregen lagen Jahr für Jahr nur um Haaresbreite auseinander. Deshalb traf die endlose Schlange der Kutschen während einem der prächtigen Sonnenuntergänge der Nachregenzeit ein – Scharlachrot, Orange und Violett. Elegante Herren und Damen in ihrem besten Staat strömten über den gepflegten Rasen, den üppige Rabatten mit Blumen belebten. Estelle war blaß und zitterte vor Aufregung, als sie ihren Platz neben den Eltern und Olivia einnahm, um die Gäste zu begrüßen. Das elegante blaue Ballkleid stand ihr gut, und in der kunstvollen Frisur (ebenfalls Anlaß einer heftigen Auseinandersetzung) saß das kostbare Diadem aus Diamanten, das die Eltern ihr zum Geburtstag geschenkt hatten. Ihr Gesicht war geschminkt (wie hatte sie darum gekämpft, die Schminke noch dicker auftragen zu dürfen!), aber sie wirkte bezaubernd, wenn sie knickste, Küsse auf dargebotene Wangen hauchte, Hände drückte und mit der vollkommenen Haltung einer erwachsenen Frau, als die sie sich nun betrachtete, Komplimente machte und entgegennahm.
Bei Olivia hatte Lady Bridget an diesem Abend ihren Willen durchgesetzt. Es hatte sich nicht vermeiden lassen, daß sie das schimmernde Ballkleid aus aquamarinblauem Satin trug, das Lady Bridget für sehr viel Geld für Olivia hatte anfertigen lassen. Das Kleid hatte eine Wespentaille, und Olivia mußte sich der größten aller Foltern unterwerfen – dem Fischbeinkorsett! Außerdem hatte die Tante darauf bestanden, daß sie Spitzenhandschuhe trug, Goldsandaletten mit hohen Absätzen und lange Strümpfe. Auf den gequälten Einwand, niemand werde die Strümpfe sehen, hatte Lady Bridget sie angefahren: »Das will ich auch hoffen!« und die Diskussion damit beendet. Olivia mochte sich noch so unbehaglich fühlen, sie wäre keine junge Frau gewesen, wenn ihr Spiegelbild sie nicht auch entzückt hätte. Sie war mit zweckmäßigen Baumwollkleidern, vernünftigen Schuhen und praktischer Unterwäsche aufgewachsen, und sie errötete beim Anblick der ungewohnten Eleganz im Spiegel, besonders wegen des wundervollen Smaragdcolliers und der langen Ohrringe, die Lady Bridget ihr für den Abend geliehen hatte. Olivia drehte sich staunend vor dem Spiegel und konnte beinahe hören, wie Sally MacKendrick vor Bewunderung die Luft wegblieb. »Aber Schätzchen, du siehst ja aus wie eine Königin. Ich schwör dir, jeder Mann wird dich mit Haut und Haaren verschlingen!«
Estelle hatte sie angefleht, ein Auge auf Mrs.Drummond zu haben.
»Olivia, ich würde sterben, ich würde sterben, wenn Mama vor meinen Freundinnen unhöflich zu ihr wäre.« Aber Lady Bridget war guter Laune. Der Generalgouverneur und seine Gemahlin, Seine Exzellenz Lord Dalhousie und Lady Dalhousie, hatten sich zwar mit Bedauern entschuldigt, da sie sich auf einer Reise durch die Provinz befanden. Aber sie hatten ein hübsches silbernes Sahnekännchen mit ihrem eingravierten Wappen als Geschenk für Estelle geschickt. Lady Bridget war stolz auf diese Ehre und strahlte unterschiedslos in alle Richtungen – zufällig auch in die, wo Mrs.Drummond saß. Das unerwartete, anerkennende Lächeln verwirrte diese Dame zutiefst. Aus Nervosität leerte sie schnell hintereinander noch zwei Gläser Bordeaux.
Olivia machte auf den strengen Befehl ihrer Tante hin pflichtbewußt und lächelnd die Runde. Die Rasenflächen vor und hinter dem Haus waren voller Gäste, und es herrschte überall ein ziemliches Gedränge. Das fröhliche Klirren von Gläsern mischte sich in heiteres Lachen und das
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