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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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Gemurmel kultivierter Unterhaltung. Eine Unzahl weißgekleideter Diener mit gestärkten Turbanen und roten Schärpen eilten mit der Riesenauswahl an Erfrischungen hin und her. Olivia konnte sich nicht an die Namen aller Leute erinnern, denen sie vorgestellt worden war, aber sie plauderte und scherzte sehr gewandt mit den Gästen. Dabei vermied sie jedoch sorgsam die beiden Themen, die Tante Bridget ihr verboten hatte – Politik und Geschäft. »Sie reiten sehr gut, Miss O’Rourke, und nicht einmal im Damensattel. Das ist für Damen hier ungewöhnlich. Ich sehe Sie morgens oft.«
    Das sagte ein rundlicher junger Mann mit einem Ziegenbart und verschmitzten braunen Augen. Olivia konnte sich nicht mehr daran erinnern, ob er Courtenay oder Poultenay hieß. »Danke. Ja, es macht mir Spaß, die Stadt zu erforschen – natürlich nicht die Viertel der Eingeborenen«, fügte sie rasch für den Fall hinzu, daß ihre Tante etwas davon erfahren würde. »Ich bleibe im Europäerviertel und am Flußdamm.«
    Er zog überrascht eine Augenbraue hoch. »Aber das sollten Sie gerade nicht tun! Das wahre Herz Indiens schlägt dort, wo die Eingeborenen leben. Die Basare, die engen Gassen und Gäßchen sind sehr viel interessanter als der trostlose europäische Teil der Stadt.«
    Olivia war verblüfft und betrachtete ihn neugierig. »Sie kennen das alles?«
    »Sehr gut. Ich habe mit Freunden eine Junggesellenwohnung in der Neeloo-Dalal-Straße.«
    Er bemerkte Olivias Staunen und lachte. »Sehen Sie, Miss O’Rourke, ich gehöre zu der glücklichen, exklusiven Gruppe Europäer, die, wie man sagt, ›Eingeborene‹ geworden sind. Ich meine, wir dienen der Europäergemeinde nicht, indem wir herumstehen und darauf warten, daß man uns Befehle erteilt – wie die richtigen Eingeborenen.«
    »Was meinen Sie damit, wenn Sie sagen, Sie sind ›Eingeborener geworden‹?« fragte Olivia leise nach einem hastigen Blick über die Schulter. Der Mann interessierte sie.
    Er errötete. »Ich bedaure, aber diese Information müssen Sie einer der Damen entlocken, Miss O’Rourke. Ich habe so schon genug Schwierigkeiten.«
    Olivia vermutete nach seinen Worten, es habe etwas mit indischen Mätressen und solchen Dingen zu tun, und das Thema war nicht ohne Reiz. Sie hätte die Angelegenheit gern weiter verfolgt. Aber sie fing über einen Jasminstrauch hinweg Lady Bridgets Falkenblick auf, entschuldigte sich bedauernd und bereitete sich auf die nächste Pflicht-Unterhaltung vor. Sie beschloß jedoch, Mr.Courtenay oder Poultenay als Zeichen der Anerkennung in ihr Tagebuch aufzunehmen.
    Lady Bridget wirkte in ihrem schimmernden beigen Taftkleid mit den milchkaffeefarbigen Spitzenmanschetten einschüchternd hoheitsvoll. Ihr blondes, nur von wenigen grauen Fäden durchzogenes Haar war so perfekt frisiert, daß selbst die leichte Brise nicht wagte, ein einziges Haar in Unordnung zu bringen. Sie besaß diese selbstverständliche Eleganz, die nur dann nicht unangenehm auffällt, wenn man reich ist und es immer war. Sie klopfte leicht auf den Stuhl neben sich, und Olivia nahm Platz. Tante Bridget und ihre Freundinnen unterhielten sich über Orte in den Bergen, das verzweifelte Bedürfnis, im Sommer der sengenden Hitze Kalkuttas zu entfliehen, und das beklagenswerte Fehlen geeigneter Berge in diesem Teil des Landes, in die man sich hätte zurückziehen können. »Von Rawalpindi aus«, klagte eine Mrs.Dalrymple, die offenbar von dort kam, »ist es nach Murre nur einen Katzensprung. In einem einzigen Tag ist man aus der glühend heißen Ebene heraus und sieht die schneebedeckten Gipfel des Himalaja!« Sie fächelte sich heftig Luft zu.
    »Aber wohin geht man von hier aus, frage ich Sie, wohin ?«
    »Nun ja, da ist immer noch das Meer«, erwiderte Lady Bridget mit einer gewissen Kühle. Es war ganz schön und gut, wenn jemand wie sie über Kalkutta schimpfte, aber diese Freiheit konnte man einem Neuankömmling aus dem Norden nicht zugestehen. »Viele Leute finden zum Beispiel die Strände von Puri erholsamer als die Berge. Ich muß sagen, ich auch.«
    Das verhinderte erfolgreich jede weitere Bemerkung, die Mrs.Dalrymple zu diesem Thema vielleicht noch hatte machen wollen. Olivia saß links von Mollie Bassett und hörte, wie sie mit Betty Pennyworthy flüsterte, die rechts neben Mrs.Bassett saß. »Weißt du, das kommt von der Hitze. Die macht sie, nun ja, feuriger als uns Engländer.« Die beiden blickten auf die Gruppe indischer Herren in dicken schwarzen Gehröcken

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