Wer Liebe verspricht
an. »Weil ich nicht wollte, daß mein Sohn wie sein Vater als Bastard geboren wurde. So einfach ist das.«
Sein Kopf fuhr zur Seite wie von einem Schlag getroffen. Er wurde totenbleich. Langsam sank er in sich zusammen, und sein Zorn verflog. »Ja«, murmelte er. »Ja. Das war eine dumme Frage. Ich bin außer mir, Olivia, weil ich einen Sündenbock suche und keinen finde. Ich möchte die Zeit zurückdrehen und kann es nicht. Und ich bin außer mir, weil ich dich verloren habe. Du siehst, ich sehe alles klar und deutlich.« Er versank wieder in Bitterkeit über die Nutzlosigkeit seiner Schuldgefühle. »In meinem egoistischen Versuch, vielleicht wenigstens etwas wiedergutzumachen, möchte ich, daß du eines weißt: Ich wäre nach sechs Monaten zurückgekommen, wenn ich unterwegs nicht erfahren hätte, daß du Freddie geheiratet hast. Ich hatte einmal versucht, mich von dir loszusagen. Ich konnte es nicht ertragen. Ich besaß nicht die Kraft, es noch einmal zu tun. Du sollst zumindest auch wissen, selbst wenn es nichts mehr nützt, daß ich dich überall, auf der ganzen Welt, gefunden hätte. Ich wäre zu dir gekommen, wohin du auch geflohen wärst …«
Olivia wußte plötzlich, sie hätte nicht hierherkommen dürfen. Aber sie hatte es getan, und nun konnte sie nicht gehen. »Das hättest du getan?« fragte sie tonlos.
Er seufzte und senkte den Kopf. Die Last, die auf ihm lag, konnte er weder abwerfen noch tragen. »Daß du diese Frage noch immer stellen mußt, ist der Beweis für mein schlimmstes Versagen, und es ist meine tödlichste Strafe.«
Wieder einmal griff der unerbittliche Schmerz nach ihrem Körper. Er ließ sich nicht abschütteln und widersetzte sich ihrem Willen. Olivia konnte Jais Qual ebensowenig länger ertragen wie die ihre. »Wir haben beide versagt. Du konntest von meiner Lage nichts ahnen. Ich hatte keinen Maßstab, an dem ich einen Mann wie dich hätte messen können. Und die Zeit war gegen uns …«
Uns.
Wie heimtückisch ihr dieses Wort entschlüpft war, und das in den letzten Augenblicken, bevor sich ihre Wege trennen würden …
Völlig in sich gekehrt, hatte Jai den Ausrutscher nicht bemerkt – das scheinbar unbedeutende kleine Wort, das sie so unbekümmert wieder miteinander verband. »Als Rächer bin ich eine Karikatur. Ich habe nicht einmal dich verschont. Und du warst das einzige in meinem Leben, was mir das Leben lebenswert machte.«
Eine Sekunde lang wurde Olivia von ihren Gefühlen überwältigt. Sie wollte den Alptraum seines gequälten Gesichts verbannen und schloß die Augen. Aber es half nichts. Alles war bis in die kleinsten Einzelheiten in ihre Erinnerung eingegraben. Selbst ohne ihn anzusehen, wußte Olivia, daß in seinen Augen Tränen standen.
Sie seufzte und distanzierte sich von ihren Gefühlen. Wie ein Geist schien Olivia sich von ihrem Körper zu lösen und Jai aus einiger Entfernung von oben zu betrachten. Leidenschaftslos und nur leicht überrascht stellte sie noch etwas fest. Kinjal hatte sich in einem Punkt geirrt. Sie hatte im Grunde nicht gewonnen. Sie würde nie gewinnen können. Und mit dieser Erkenntnis stellten sich noch andere ein. Sie wollte aufstehen, neben ihn treten, sich zu ihm setzen, ihre Wange an seine gebeugte Schulter legen. Sie wollte Flügel haben, jene Abgründe überfliegen, die ihre Schicksale unwiderruflich trennten, und wie mit einem Zauber die Jahre des Kummers auslöschen. Sie wollte ihn wieder berühren wie einst. Sie wollte in seiner Nähe Sicherheit finden und gewärmt werden. Sie wollte ihn in die Arme nehmen und trösten. Sie wollte ihn lieben und von ihm geliebt werden. Ihre Gefühle befreiten sich explosionsartig, denn die zerbrechlichen Ankerketten waren abgeschüttelt. Mit geschlossenen Lidern fuhr sie ihm im Geiste durch das wirre Haar, das die aufkommende Brise noch mehr durcheinanderbrachte. In ihrer Hand fühlte sie wieder die langen, schlanken Finger, die solche lustvollen Empfindungen in ihr ausgelöst hatten. An ihrem Gesicht fühlte sie den rauhen Stoff des weißen Baumwollhemdes, das er immer trug. Sie hatte ihn deshalb oft geneckt. Und durch den Stoff hindurch spürte sie das Blut, das auch in den Adern ihres Sohnes floß. Mit der Fingerspitze fuhr sie ihm zärtlich über die Stirn und nahm ihm den Schmerz, der dort eingemeißelt war. Sie legte ein Ohr auf die Hemdtasche und lauschte auf sein Herz. Es schlug noch immer im selben Rhythmus wie das ihre. Und wieder hörte Olivia in sich den lautlosen Klang jener
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