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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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Worte, an die sie so lange nicht mehr gedacht hatte.
    Aber ja, ich liebe dich …
    »Es gibt etwas, das auch ich zu Ende bringen muß.«
    Aus ihrer Trance gerissen, zuckte Olivia zusammen. Er hatte sich wieder unter Kontrolle und redete normal. Olivia wollte keine Selbstvorwürfe hören und keinen Wahnsinnsausbruch mehr erleben. Abwehrend fragte sie: »Und was wäre das?«
    »Ich muß dir erzählen, wie meine Mutter gestorben ist.«
    »Nein!«
    Warum das jetzt alles noch? Wozu?
    »Doch, du hast in meinem Leben keinen Stein auf dem anderen gelassen. Auch das darf nicht unangetastet bleiben. Du hast ein Recht, es zu erfahren!«
    »Ich verzichte auf das Recht! Es ist nicht mehr wichtig …«
    »Es ist wichtig«, widersprach er energisch, aber sanft. »Du kannst nicht auf ein Recht verzichten, das nicht nur du hast. Eines Tages wird auch mein Sohn das Recht haben, es zu erfahren. Und dann mußt du es ihm erzählen.« Die grausame Erinnerung an die bevorstehende Trennung schmerzte, aber Jai verlor sich bereits in der fernen Welt, in der auch der Grundstein für ihre Zukunft gelegt worden war. »Sie starb, wie sie gelebt hatte, als eine unbedeutende Frau und bis zum Ende ungeliebt. Der eine Peitschenhieb, der sie getroffen hatte, weil sie mich davor bewahren wollte, verwundete sie schwer. Acht Jahre lang hatte sie keinen einzigen Tag ohne Opium gelebt. Es floß ihr im Blut. Ihr Körper verzehrte sich danach, wie in einem Hunger, den nichts anderes stillen konnte. Ich konnte ihr kein Opium geben. Deshalb blieb die Gier ungestillt, und mit diesem Hunger ist sie gestorben. Herz und Geist waren schon lange tot. Sie war noch keine fünfundzwanzig Jahre alt.«
    Er erzählte das ruhig, aber Olivia sah, was ihn jedes Wort kostete, denn dicht unter der Oberfläche lauerten begrabene Gefühle, die nie ans Tageslicht gekommen waren. »Sei still!« beschwor ihn Olivia. »Laß die Vergangenheit ruhen, wenn sie so schmerzlich ist …«
    »Ja, sie ist schmerzlich, aber sie muß erzählt werden.« Unbewußt fuhren seine Fingerspitzen über das rote Bündel, das neben ihm lag – der kleine traurige Schatz seiner Kindheit. »Sie starb in der ersten Nacht, nachdem wir das große Haus verlassen hatten. Wir mußten am Straßenrand schlafen. Die Wunde an ihrem Arm blutete, und sie litt Höllenqualen, denn ihre Gedanken kreisten um die Kügelchen, die ihre stumme Demut garantierten. Aber bevor wir in dieser Nacht einschliefen, erzählte sie mir viel –, vielleicht, weil sie wußte, es würde ihre letzte Nacht sein.« Er stand auf und drehte Olivia den Rücken zu. »Damals hörte ich zum ersten Mal etwas von Opium, und ich erfuhr, wer mein Vater war. Das Opium konnte ich nicht verstehen, aber ich war sprachlos, daß der Mann, der sie ausgepeitscht hatte, mein Vater sein sollte. Es machte mir Angst, und ich war von Ehrfurcht erfüllt. Bis dahin hatte ich ihn immer von weitem bewundert. Ich staunte den großen Engländer an, der lesen und schreiben und so selbstverständlich Befehle erteilen konnte. Ich beobachtete ihn oft stundenlang, prägte mir sein Tun ein, seine kleinen Gesten, seine Eigenheiten, und wenn ich allein war, ahmte ich sie nach. Manchmal wollte ich ihn berühren, denn es schien mir die allergrößte Ehre zu sein, einen Engländer zu berühren. Und manchmal redete er mit mir, gab mir etwas und versuchte, freundlich zu mir zu sein. Aber der Klang seiner Stimme ließ mich erstarren. Ich konnte ihm nie antworten, wenn er mir eine Frage stellte. Dann wurde er ungeduldig. Sogar seine Ungeduld empfand ich als Ehre, denn es bedeutete, ich war ihm wichtig genug, zornig zu werden …« Jai schwieg, als fürchte er die Gefühle und zwinge sich, die Grenzen zu achten, die er sich gesteckt hatte.
    »Ich hatte noch nie einen Toten gesehen«, fuhr er ruhig fort. »Ich wußte nicht, daß meine Mutter gestorben war. Ein Wasserträger, der vorüberkam, sagte mir, sie sei tot und müsse den Flammen übergeben werden. Wir trugen sie zusammen zum Flußufer und sammelten Holz. Es war feucht, und es dauerte lange, bis das Feuer brannte. Ich wußte nicht, was eine Verbrennung ist. Erst als der Scheiterhaufen in Flammen stand, begann ich zu weinen. Ich begriff in diesem Augenblick, daß sie nie wieder zu mir zurückkommen würde.«
    Seine tonlose Stimme zitterte kaum hörbar, aber Olivia sah, wie sehr er noch jetzt litt. »Bitte sprich nicht weiter«, bat sie leise und litt mit ihm. »Ich kann es nicht ertragen, noch mehr zu hören!«
    Er wurde

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