Wer Liebe verspricht
würden ihre Zukunft sein. Und die nie ganz vergessene Vergangenheit würde sie immer begleiten. Es war vielleicht noch nicht alles durchlebt, und einiges würde sich der Heilung widersetzen. Und es würden Narben bleiben, die manchmal schmerzten.
Zwischen ihnen würde immer Freddie stehen – und Alistair, denn er war ebenso ihr Sohn wie Amos.
Nein. Die Vergangenheit konnte noch nicht vergessen sein. Beide mußten ihre Qualen ertragen, und manchmal würde diese Vergangenheit sie auch trennen. Aber im Innern gehörte beiden eine Welt, die dem Zauber so nahe kam, wie es einer Welt möglich war. Die Welt draußen würde ihnen nie verzeihen. Konnte Olivia das wirklich ertragen?
Ja, hundertmal ja!
Jais Unsicherheit war gerechtfertigt, aber seine Schlußfolgerung war falsch. Bei allem, was hinter ihr lag, und bei allem, was noch kam, besaß Olivia eine unerschütterliche und unerschöpfliche Quelle der Kraft: Sie würden sich nie wieder in feindlichen Lagern gegenüberstehen.
Und ohne ihn hatte ihr Leben ohnehin keinen Sinn.
Er folgte ihr durch das Labyrinth ihres tiefen inneren Schweigens, neigte den Kopf und hob eine Augenbraue. Ebenso intuitiv verstand Olivia seine wortlose Frage. »Nein.« Sie richtete sich auf, hob das Kinn und schüttelte den Kopf. »Kein Zweifel. Nicht jetzt, nie. Ich habe lediglich versucht, die Vergangenheit mit der Zukunft in Einklang zu bringen.«
»Und du bist sicher, daß das möglich ist? Ein Rechteck rund zu machen?« fragte er zweifelnd.
»Nein, ich bin nicht sicher. Aber wenn es meiner Entschlossenheit gelingt, dich zu mir zurückzubringen, dann kann sie auch ein Rechteck rund machen. Schließlich bin ich für meinen Einfallsreichtum bekannt.«
Er mußte lachen. Endlich. Er lachte aus vollem Hals, tief, gelöst und herzlich. Das Lachen beschwerte keine Zweifel mehr, sondern in ihm lag das Staunen über eine Offenbarung. Wie vor einer Ewigkeit schon einmal nahm er die Kette vom Hals und legte sie ihr um. »Ich kann dir noch immer nichts geben, was mir mehr wert ist. Trage sie jetzt mit dem Segen meiner Mutter.« Seine Hände liebkosten Olivias Nacken. Dann nahm er ihr Gesicht in beide Hände. »Damit übergebe ich dir meine Vergangenheit. Meine Zukunft scheint dir schon zu gehören.«
Diesmal war das Versprechen, sich zu binden, endgültig. Olivia wußte, das galt für sie beide. Sie hob den Anhänger an die Lippen, nahm dann seine Hand und küßte den blutigen Knöchel, mit dem er sich bestraft hatte.
»Komm. Gehen wir zu meiner Kutsche«, sagte sie und legte seine Hand an ihre Wange. »Ich habe dir unseren Sohn mitgebracht.«
FINIS
Die Ostindien-Kompanie
Im Jahr 1600 wird die Ostindien-Kompanie als eine private Handelsgesellschaft von Aktionären gegründet. Es ist ein bemerkenswerter Schritt auf dem Weg zu einer merkantilen Expansionspolitik, der über viele Generationen hinweg ein ungewöhnlicher Erfolg bestimmt ist, die aber rückblickend nicht nur für Indien eine tragische Entwicklung einleitet. Land- und Geldgewinne sind Ausdruck des Triumphes einer neuen Weltanschauung. Auf Dauer tragen sie jedoch zu politischen und wirtschaftlichen Katastrophen bei, die kaufmännische Gewinn- und Verlustrechnungen nicht mehr erfassen können. Unbestreitbar gehörten Verwegenheit, Unternehmungsgeist, Abenteuerlust und Entdeckerfreude dazu, zu einem fernen, unbekannten Kontinent aufzubrechen und darauf zu hoffen, bei den Expeditionen nicht nur zu überleben, sondern auch erträumte Reichtümer zu gewinnen. Die Kaufleute der ersten Zeit bestehen die vielen Abenteuer und fassen in Indien Fuß. 1637 wird Surat, am Golf von Cambay, als erste Niederlassung gegründet, gefolgt von Madras 1639 und Kalkutta 1690. Bereits 1661 überträgt Karl II. von England der Ostindien-Kompanie die souveränen Rechte über Indien. Eine Handelsgesellschaft beginnt zu herrschen.
Zweihundertsiebenundsiebzig Jahre vergehen, bis Königin Viktoria zur Kaiserin von Indien ausgerufen und damit dokumentiert wird, daß die wirtschaftlichen und politischen Interessen der Neuzeit nicht mehr voneinander zu trennen sind. England steht mit dieser Entwicklung nicht allein, ganz Europa hat die geistige Ordnung des Mittelalters hinter sich gelassen.
Beinahe ein Jahrhundert vor diesem Ereignis, im Jahr 1784, verliert die Ostindien-Kompanie endgültig ihre politische Macht. Sie wird der direkten Kontrolle und Verantwortung des englischen Kabinetts unterstellt und nach dem Großen Aufstand der indischen Truppen 1857/58 im
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