Wer Liebe verspricht
Arme. »Die Welt außerhalb deines Liebeszaubers, Olivia, ist nicht freundlich. Sie ist feindselig in ihren Zwängen und Forderungen.«
»Für mich gibt es keine Welt außer der, in der du und Amos leben.«
»O ja, es gibt eine andere Welt! Du hast noch einen Mann – und ich kann dich mit keinem teilen. Mit mir, Olivia, heißt es alles oder nichts. Wie im Krieg, so auch in der Liebe!« Seine Anmaßung schmerzte.
Stieß er sie wirklich zurück? Nein, nein, das würde sie nicht zulassen! Er stellte sie nur auf die Probe, ergründete ihren Mut, überprüfte, wie weit sie nachgeben konnte, ohne zu zerbrechen. Er begriff nicht, daß er das, was über den Verstand hinausreicht, mit dem Verstand erfassen wollte. Jai vergaß, daß es dahinter, hinter den Worten, noch etwas gab. Wie andere hatte auch er von einer Bindung gesprochen.
Olivia lachte leise. »Was bist du doch für ein Dummkopf, Jai Raventhorne! Du bist genau wie ich, so störrisch wie ein Esel.« Ihre Worte klangen zart wie Seide. »Ich habe einmal gegen mein Schicksal, ja gegen die ganze Welt gekämpft. Ich nehme den Kampf gern wieder auf – für dich. Aber ich habe nicht mehr die Kraft, gegen dich zu kämpfen.«
Olivia stand auf und ging zu ihm. Sie wollte ihn nicht länger aus der Ferne lieben, ihn nicht berühren dürfen. Sie legte die Arme um ihn. »Hast du nicht begriffen, daß es auch bei mir im Krieg und in der Liebe um alles geht? Um alles, alles, alles …«
Erschrocken erstarrte er in ihrer Umarmung und wagte nicht, sie zu berühren. Er wagte nicht einmal, Luft zu holen. Er stieß nur leise ihren Namen hervor.
Einen verzauberten Augenblick lang konnte auch sie nichts sagen. Die gut erinnerte und nie vergessene Sinnlichkeit machte sie benommen. Olivia versank in dem kaum wahrnehmbar nach Tabak duftenden Atem und verging beinahe in seiner Nähe. Ausgehungert streiften ihre Lippen federzart über seinen Hals, schmeckten wieder die salzige Haut. Sie nahm die Schärfe in den Mund und wollte sich nicht mehr von ihr trennen. »Wenn du mich willst«, flüsterte sie berauscht, »dann mußt du es offen sagen. Das zumindest schuldest du der Frau, die dir einen Sohn geboren hat.«
Ein Schauer überlief ihn. Seine Arme hoben sich zögernd, und dann drückte er sie fester an sich. »O ja, ich will dich, o ja …!« Seine Kapitulation war bedingungslos. Er flüsterte ihr unzusammenhängende Worte in das dichte Haar, auf die Augen, auf das ihm zugewandte Gesicht. »Wie kannst du ahnen, wie sehr ich dich schon immer gewollt habe?«
»Das kann ich, wenn du es mir sagst.« Sie legte das Ohr an seine Brusttasche. Ja, das Herz schlug. Es schlug für sie. Es schlug so heftig und laut wie eine Pauke!
»Mein Gott – mußt du es immer noch hören?« fragte er wieder fassungslos.
Am offenen Hemdkragen küßte sie die Vertiefung am Hals. »Ja!«
Verwirrt über das, was er weder verstehen noch erklären konnte, verwirrt über das, was er nur fühlte, erstickte er sie fast mit Küssen, und sie mußte nach Luft ringen. »Es hat nie einen Tag, nie eine Sekunde gegeben, in der du nicht von mir geliebt und gewollt worden bist. Wenn du abwesend und wenn du da bist, beherrschst du meine Gedanken, befiehlst du mir und zügelst mich. Du treibst mich zur Verzweiflung, und in meiner Verzweiflung verliere ich den Verstand.« Er schob sie von sich und betrachtete sie auf Armeslänge. »Ich bin ein unerträglicher, fordernder Mann, Olivia, und in meinen Reaktionen noch immer maßlos. Du wirst mich nicht lange ertragen können. Und dann werde ich dich wieder verlieren …«
»Und du kannst es nicht ertragen, ein Verlierer zu sein! Geht es dir darum?« Tränen ließen ihre Augen glänzen. »Ich habe dir einmal versprochen, alles zu ertragen, was du beschließt. Es war ein unvorsichtiges und tollkühnes Versprechen, das zu halten meine Kräfte überstieg. Jetzt habe ich die Kraft dazu. Auch ich brauche eine neue Chance, Jai, auch ich.« Seine Finger drückten sich so fest um ihre Schultern, daß es schmerzte. Olivia löste sie und nahm seine Hände in ihre. »Das ist die Wahrheit, Jai. Warum kannst du dich nicht damit abfinden?«
Er konnte ihrer beredten Überzeugungskraft nichts entgegensetzen und schwieg hilflos. Er drückte sie heftig an sich und verwünschte leise seine Ohnmacht.
»Warum, warum, warum! Wie viele verdammte Warums hast du noch für mich?«
»So viele wie nötig sind, um dich ganz und gar kennenzulernen.«
»Ganz und gar?« Er stöhnte entsetzt.
Weitere Kostenlose Bücher