Wer Liebe verspricht
Jahre 1858 aufgelöst.
Die Eroberung Indiens scheint im neunzehnten Jahrhundert zum siegreichen Abschluß zu kommen. Aber die Kolonien, die in der Vergangenheit eine verläßliche und einträgliche Quelle des Reichtums und damit wachsender Macht waren, stellen sich zunehmend als eine große Belastung heraus. Auf die Politiker wartet das Erbe einer verarmten Dritten Welt, die Kaufleute und die Herrscher des westlichen Abendlandes im Namen christlicher Nächstenliebe verursacht haben. Ein Jahrhundert später erkämpft sich Indien unter Gandhis Führung die Unabhängigkeit, die 1947 verkündet wird.
Während im Europa des sechzehnten Jahrhunderts die Gedanken der Reformation die Welt- und Gesellschaftsordnung erschüttern, im siebzehnten Jahrhundert Glaubenskriege und Inquisition die Länder heimsuchen und Seuchen wie Pest und Cholera wüten, aber auch große naturwissenschaftliche und geistige Entwicklungen stattfinden und an den glanzvollen Höfen Adel und Künste im Bewußtsein der Überlegenheit abendländischer Kultur ihre Vorherrschaft feiern, setzen Wissenschaftler, Entdecker, Kaufleute, Missionare und Soldaten die weltumspannenden Ideen der Päpste, Kaiser und Könige in die Tat um.
In Indien erlebt zu dieser Zeit das Mogulreich mit einer märchenhaften Prachtentfaltung seine größte Ausdehnung. Aber es zerbricht schließlich an inneren Spannungen, religiöser Zerrissenheit und persönlicher Machtgier. Die Ostindien-Kompanie nutzt geschickt die Zerstrittenheit der indischen Fürsten zu ihren Zwecken. Sie schließt militärische Bündnisse, stationiert Truppen und ist bei den Auseinandersetzungen der eigentliche Sieger. Auch der europäische Rivale, die französische Ostindische Kompanie, wird endgültig aus dem Feld geschlagen – 1761 fällt ihr letzter Stützpunkt Pondicherry.
Schon 1637 gehen die vier ersten englischen Schiffe im Hafen von Kanton vor Anker. Der Handel mit China beginnt, obwohl die hermetische Abgeschlossenheit des gewaltigen ostasiatischen Reiches für die Kaufleute zunächst eine fast unüberwindliche Schranke darstellt. Sie können sich nicht damit abfinden, denn das wichtigste Handelsgut ist Tee, der bis weit ins neunzehnte Jahrhundert nur in China angepflanzt wird. Alle Teelieferungen müssen mit Silber bezahlt werden. Das führt zu einer negativen Handelsbilanz der Engländer gegenüber China und der empfindlichen Abnahme der Silbervorräte. Auch die immer mächtiger werdende Ostindien-Kompanie kann den Isolationismus der chinesischen Kaiser nicht erschüttern. Der Einbruch gelingt jedoch mit einer Droge, mit dem Opium, das in Indien produziert wird. Die Ostindien-Kompanie hält sich zunächst offiziell aus dem direkten Opiumhandel heraus und läßt ihre Ware mit Einverständnis der englischen Regierung von privaten Schiffen nach China bringen. 1729 verbietet der chinesische Kaiser die Opiumeinfuhr. Da China jedoch an den Einkünften aus dem Außenhandel interessiert ist, beginnt man erst 1793 gegen die Importeure wirksamer vorzugehen. Doch die Gewinne aus dem Opiumhandel sprechen für sich. Weder die ehrwürdige Ostindien-Kompanie noch die ehrbaren Handelsherren und Schiffseigner wollen darauf verzichten. An die Opfer denkt niemand. 1834 unterstützt die Regierung in London den Handel mit China, indem sie der Ostindien-Kompanie das Handelsmonopol entzieht. Nun stehen den privaten Handelshäusern alle Möglichkeiten offen. Das schmutzige Geschäft Tee gegen Opium blüht, es helfen auch keine Erlasse und Verbote der Regierung in Peking mehr. 1840/41 kommt es zum Opiumkrieg, den die Chinesen verlieren. Der Opiumhandel geht weiter.
Die Expansion der europäischen Großmächte über Jahrhunderte hinweg gelingt im Grunde nur, weil die Erschließung neuer Märkte, neuer Reichtümer alle Bevölkerungsschichten in die Welt hinauslockt. Wenn das nicht in dem Maß gelingt, wie es zur Kolonisierung der eroberten Gebiete notwendig ist, werden die Untertanen zur Auswanderung verurteilt.
Auf der Suche nach dem ideellen und materiellen Glück, das viele Menschen in ihrer Heimat nicht finden können, wagen sie den Sprung ins Unbekannte. Amerika, die Neue Welt, wird am Ende des achtzehnten Jahrhunderts mit der erkämpften Unabhängigkeit von England zum Inbegriff des Traums von einer neuen Heimat. 1773 versenkt man in Boston die Teeladung von drei Schiffen, und ein Jahr darauf beschließen die Delegierten der 13 Neuengland-Staaten die Einstellung des Handels mit England. Die starren
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