Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
Vom Netzwerk:
blieb sie hingerissen stehen und bewunderte ihn, denn er war wirklich ein schönes Pferd. Der Hengst sah sie mit wilden Blicken an, schlug aus, und die Stallburschen brachten sich schnell in Sicherheit. Olivia lachte. »Wie ich sehe, ist er ebenfalls darauf abgerichtet, Sie mit seinem Leben zu schützen!«
    »Ja, denn mein Kopf ist sehr gefragt!« Raventhorne kraulte das Ohr des Rappen mit überraschender Sanftheit, zog seinen Kopf zu sich herunter und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Das Tier schien aufmerksam zuzuhören – es bewegte kaum die Augen. Dann wieherte es leise, scharrte mit dem Vorderhuf und rieb die Nüstern an der Handfläche seines Herrn. In ihrer Heimat, wo man einen Mann häufig nach seinem Pferd beurteilte, hatte Olivia Männer gekannt, deren Beziehung zu ihrem Reittier beinahe menschlich zu nennen war. Raventhorne war offenbar ein solcher Mann. Das Pferd vertraute ihm völlig.
    »Was haben Sie zu ihm gesagt?« fragte Olivia neugierig.
    Er schüttelte den Kopf. »Geheimnisse, die ein Mann mit seinem Pferd hat, sind heilig. Es gehört sich nicht, auch nur danach zu fragen.« Er brach von einem Brocken, den einer der Stallburschen ihm reichte, zwei Stücke braunen Zucker ab und gab jedem Pferd eines.
    »Er heißt Schaitan, und das bedeutet Teufel. Manchmal kann er ein bösartiges Untier sein – vielleicht um den Ruf zu rechtfertigen, den ihm sein Name gibt.«
    »Zweifellos ganz wie sein Herr!«
    Olivias bissige Bemerkung schien Raventhorne zu verblüffen, aber dann warf er den Kopf zurück und lachte schallend. »Ganz wie sein Herr, das kann ich Ihnen versichern!« Er lachte immer noch, als ein Nepalese mit einem dritten Pferd erschien, einem Dunkelbraunen mit weißen Fesseln. »Mein Diener Bahadur wird Ihnen in diskreter Entfernung folgen.«
    Olivia protestierte beinahe automatisch. »Oh, das ist nicht nötig …«
    »Es ist nötig!« Er unterbrach sie mit einer Entschiedenheit, die sofortigen Gehorsam verlangte. »Ich weiß, daß Sie als Amerikanerin gerne zeigen, wie unabhängig und mutig Sie sind. Aber tun Sie mir bitte den Gefallen – und sei es auch nur, damit ich beweisen kann, daß es mir nicht völlig an gesellschaftlicher Bildung mangelt.«
    Wortlos ging Olivia zu Jasmine und saß auf. Raventhorne vergewisserte sich, daß sie sicher im Sattel saß, ehe er sich auf den Hengst schwang. Im Augenblick des Abschieds konnte Olivia die Frage nicht länger zurückhalten, die ihr auf der Zunge lag. »Erlauben Sie mir als Ausgleich für Ihre vielen Ungehörigkeiten auch noch eine?«
    Sein Gesichtsausdruck wurde vorsichtig. »Bitte.«
    »Sie sind zumindest teilweise Europäer«, sagte sie und erwiderte ruhig seinen argwöhnischen Blick. »Ist es nicht Heuchelei, vorzugeben, daß Sie Menschen hassen, zu denen Sie mit einem Teil Ihres Wesens gehören?«
    Sie überlegte, ob er überhaupt antworten würde, denn er preßte sofort die Lippen aufeinander. Aber schließlich sagte er: »Gerade weil ich teilweise zu ihnen gehöre, habe ich das Recht, sie zu hassen – und auch einen Grund.« Die zinngrauen Augen blickten eiskalt. »In Amerika trägt das Vieh ein Brandzeichen auf der Kruppe, in Indien ist der Bastard eines Engländers ein Leben lang durch sein Gesicht gebrandmarkt.«
    Er gab Schaitan die Sporen, und im selben Augenblick öffneten sich geräuschlos die großen schwarzen Torflügel. Der Rappe machte einen Satz, und es entstand ein Luftzug wie von einem riesigen Windrad. Einen kurzen Augenblick verhielten Pferd und Reiter am Tor. Dann beugte Raventhorne den Vorderkörper weit vor, gab dem Pferd noch einmal die Sporen und die beiden verschwanden im Galopp auf der Straße. Er sah sich nicht mehr nach Olivia um. Sie wußte bereits aus Erfahrung, daß er es nicht tun würde.
    Erschüttert von der tiefen Bitterkeit seiner Antwort blieb sie einen Augenblick regungslos im Sattel sitzen. Dann erinnerte sie sich an das offene Tor, den wartenden Bahadur und trieb Jasmine an. Bevor sich die schwarzen Torflügel endgültig hinter ihr schlossen, drehte Olivia sich noch einmal um und warf einen letzten Blick auf das Haus. Dabei entdeckte sie auf einem Balkon etwas Gelbes. Es war Sujata, die sie beobachtete.
    *
    Olivia wußte nicht, ob ein Mensch sich Augenblicke bewußt machen kann, die sein Schicksal bestimmen. Aber sie wußte, diese zweite unfreiwillige Begegnung mit Jai Raventhorne war wie ein Wegweiser, der in eine Richtung zeigte, die sie verwirrte. Ja, dieser Mann war ihr ein Rätsel. Er faszinierte

Weitere Kostenlose Bücher