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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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entzündeten, die ein weiches, gelbes Licht verbreiteten. Am Bug war ein fremdartiges Gebilde aus Metall befestigt.
    »Ist das sein Firmenzeichen?« fragte Olivia, »dieses merkwürdige Motiv mit den drei Spitzen?« Es kam ihr bekannt vor, aber sie konnte es nicht einordnen.
    »Ja. Es ist ein Trishul, ein Dreizack. David Crichton sagt, es hat etwas mit dem heidnischen Gott Schiwa zu tun.«
    »Was er wohl bedeutet?« Olivia fiel ein, daß sie den Dreizack an manchen Hindutempeln gesehen hatte.
    »Wer weiß? Die Heiden beten ja alles mögliche an. Dave sagt, er hat auch auf seinem schwarzen Wimpel einen gelben Dreizack. Aber er segelt unter eurer, unter amerikanischer Flagge.« Olivia staunte von neuem, wie gut ihre Cousine informiert war. Plötzlich nahm ihr Estelle das Opernglas ab, blickte hindurch und sagte heftig atmend:
    »Ob er wohl jetzt, in diesem Augenblick, an Bord ist …?«
    Estelles Aufregung war ansteckend, auch Olivias Phantasie regte sich: Sie sah im Geist Jai Raventhorne auf dem Achterdeck des Klippers stehen. Er beobachtete sie. Der Wind, der seine Haare zerzauste, trug ihr auch seine volle, tiefe und gebieterische Stimme zu, mit der er Befehle gab, die sofort ausgeführt werden mußten. Er verspottete sie sogar – diese Gelegenheit ließ er sich natürlich nicht entgehen –, weil ihr Herz heftig pochte, weil sie schrecklich aufgeregt war, und weil ihr die Röte in die Wangen stieg. Das schien er nämlich zu wissen, so wie er alles andere wußte …
    »Ich habe noch etwas über ihn herausgefunden.« Estelles Stimme riß Olivia aus ihrem Traum.
    Olivia war verlegen, weil sie sich so kindisch benahm, und sie dachte:
    Ich sollte Estelle nicht auch noch darin bestärken, sich den schrecklichen Klatsch anzuhören. Aber sie frage: »Was?«
    Estelle warf einen Blick über die Schulter und zog sie beiseite: »Man sagt, er ist ein … ein Bastard!« Sie erschrak über die eigene Kühnheit und schlug die Hand vor den Mund. Damit Olivia es ja richtig verstand, fügte sie hinzu: »Das heißt, sein Vater und seine Mutter waren nicht verheiratet – wie furchtbar!«
    Die Neuigkeit überraschte Olivia nicht. Die meisten Eurasier in Indien und im Osten ganz allgemein trugen den Stempel der Unehelichkeit, das Brandmal Raventhornes Bitterkeit war weder ungerecht noch übertrieben. »Besonders für ihn«, murmelte sie und staunte selbst, daß sie Mitleid für jemanden empfinden konnte, der es so wenig verdiente.
    »Mama sagt, Bastarde sind Kinder der Sünde«, erklärte Estelle fromm. Es enttäuschte sie, daß ihre Cousine nicht schockiert war.
    »Bastarde sind Kinder von Müttern wie jeder andere Mensch auch! Die Unehelichkeit ist unser, nicht Gottes Werk. Weißt du, wer seine Eltern waren?«
    Estelle freute sich, Auskunft geben zu können, denn sie genoß es, ernstgenommen und gefragt zu werden. »Man sagt, sein Vater war ein betrunkener englischer Matrose oder zumindest ein Weißer, der hier desertiert ist, und seine Mutter war ein Dienstmädchen. Er hat sie verführt und ist auf und davon. Das heißt …«
    »Ja, ich weiß, was ›verführt‹ heißt. Und er ist nie zurückgekommen?«
    »Nein. Zumindest Mrs.Drummond glaubt, daß Jai Raventhorne mehr weiß, als er … oh! Ich habe seinen Namen ausgesprochen. Wie schrecklich!« Sie schluckte und legte schnell die Hand auf den Mund.
    »Wieso?« Olivia war über den plötzlich aufsteigenden Zorn selbst überrascht. »Wenn deine Eltern nicht wünschen, daß sein Name in ihrem Haus ausgesprochen wird, dann respektiere ich das. Aber das bedeutet doch nicht, daß wir woanders nicht über ihn reden dürfen. Sei nicht albern, Estelle!«
    Estelle blieb bei dieser Zurechtweisung wie angewurzelt stehen. »Ich will überhaupt nicht von ihm reden«, sagte sie gekränkt. »Ich habe mich nur darum bemüht, das alles zu erfahren, weil du immer wieder nach ihm fragst.« Sie ging mit hoch erhobenem Kopf weiter.
    Das stimmte natürlich. Widerstrebend schob Olivia alle Fragen beiseite, die ihr durch den Kopf gingen, und eilte Estelle nach, um sie zu besänftigen. »Es ist die reine Neugier, liebe Estelle, und es lohnt nicht, daß wir uns deshalb streiten.« Sie lachte und umarmte ihre Cousine. »Komm, wir gehen zum Anlageplatz und sehen nach, was die ganze Aufregung dort zu bedeuten hat.«
    Das Thema Jai Raventhorne war damit wieder einmal zwangsläufig beendet.
    Am Kai herrschte ein wirres Durcheinander. Neu angekommene Weiße und andere, die sie abholten, schoben und

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