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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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sie und brachte sie durcheinander. Aber Olivia war nicht einmal sicher, daß sie ihn überhaupt mochte! Er war hart, eigensinnig und arrogant. Haß und Zynismus verzehrten ihn. Er lehnte sich gegen hergebrachte Verhaltensweisen auf, fand nichts dabei, seine moralische Verkommenheit vor allen zur Schau zu stellen, und er hatte keine Skrupel, jedes zweifelhafte Mittel einzusetzen, das ihm gerade zur Verfügung stand, um seine Ziele zu erreichen. Arvind Singh hatte mit echter Bewunderung von Jai Raventhorne als einem mutigen Mann gesprochen, wie man ihm selten begegnet. Nach Olivias Meinung war ein Mann nicht schon deshalb besonders bewundernswert, weil er die Tollkühnheit besaß, die Götter herauszufordern.
    All das erkannte Olivia mit äußerster Klarheit. Den Grund für die verrückte, unverständliche, völlig unlogische Tatsache, daß sie Jai Raventhorne nicht aus ihren Gedanken verbannen konnte, fand sie jedoch nicht, wie sehr sie sich auch darum bemühte. Ungewollt sah sie in diesem Zusammenhang wieder Greg vor sich – der verträumte, sanfte, geduldige Greg, mit dem sie aufgewachsen war. Sie liebte und achtete Greg, sie vertraute ihm, aber plötzlich schien er nur noch in einem fernen Winkel ihrer Erinnerung zu existieren. Sie sah kaum sein Gesicht, und das beunruhigte sie zutiefst. Unerklärlicherweise wurde die Welt, in der Greg lebte – in der auch sie einmal gelebt hatte –, so unwirklich wie ein Phantasiegebilde. Etwas Ungewolltes schlich sich heimlich in ihr Leben ein und führte sie weg von ihren Wurzeln. Und irgendwie spielte Jai Raventhorne dabei die entscheidende Rolle.
    Es hatte eine Zeit gegeben, und sie lag erst wenige Tage zurück, als sie sich danach sehnte, ihn wiederzusehen. Aber im neuerwachten Gefühl ihrer Einsamkeit, dieser eigenartigen Entfremdung von der eigenen Vergangenheit entschied Olivia, sie würde Jai Raventhorne nicht mehr sehen, weder zufällig noch bewußt.
    »Stell dir vor … Ich bin tatsächlich achtzehn – ich kann es kaum glauben!« Noch Tage nach dem Ball sprach Estelle immer und immer wieder über dieses Thema.
    »Und was hast du davon, außer daß du älter bist?« fragte Olivia gereizt, während sie stapelweise Briefe schrieben. Lady Bridget bestand nämlich darauf, daß Estelle sich für den Berg Geschenke (von Olivia hatte sie einen wunderschönen Rock aus Hirschleder bekommen) bei allen bedankte.
    »Es macht mich erwachsen, das habe ich davon! Jetzt kann ich heiraten, wen ich will – natürlich abgesehen von Freddie –, ganz gleich, ob Mama zustimmt oder nicht. Freddie ist für dich bestimmt, nicht wahr, Oli?«
    Bevor Olivia ihr eine angemessen bissige Antwort geben konnte, kam Lady Bridget geschäftig wie immer in das Zimmer. »Wollt ihr denn heute abend nicht ausfahren? Das Schiff aus Portsmouth hat angelegt, da müßte heute auf der Strand Road viel los sein. Ich habe gehört, Lady Birkhurst ist auch an Bord. Freddie wird sich sicher freuen.«
    Diese Ankündigung ihrer Tante überraschte Olivia keineswegs. Wie üblich waren die Informationen von Jai Raventhornes Spionagenetz zuverlässig.
    Aber wenn man von dieser einen deprimierenden Neuigkeit absah, freute sich Olivia auf die abendliche Fahrt, beziehungsweise auf den Spaziergang entlang der Strand Road. Solche Ausflüge waren für die meisten Weißen in der Stadt ein geheiligtes tägliches Ritual. In der Regel wagten sich weiße Frauen tagsüber, wenn die Sonne unbarmherzig brannte, nicht ins Freie, denn man mußte damit rechnen, daß sie die Haut bräunte, auf deren Creme- oder Pfirsichfarbe die Damen allergrößten Wert legten. Die abendlichen Ausfahrten in der kühlen, frischen Luft am Fluß galten nicht nur als Unterhaltung, sondern als medizinisch ratsam. Außerdem boten sie die erfreuliche Gelegenheit, mit alten Freunden zu plaudern, neue Freundschaften zu schließen, und wenn gerade ein Schiff angelegt hatte, die Neuankömmlinge von zu Hause aus der Nähe zu betrachten, um sich über die neueste Mode in Kleidern, Hüten und Schuhen zu informieren. Noch wichtiger war, daß man bei diesen Ausflügen erfuhr, was jeder in der Stadt tat (und mit wem!). Die Informationen wurden dann genauestens bedacht und ausgesponnen und je nach Einschätzung weitergegeben.
    Manchmal wurden Olivia und Estelle von Sir Joshua und Lady Bridget begleitet. Aber an diesem Abend kam Millie Humphries mit ihrem Rezept für Hackfleischpastete vorbei, und Sir Joshua hatte sich mit Tom Henderson zum Billard im Club

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