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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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und ein Mädchen, die beide gerade die Großeltern mütterlicherseits im Norden besuchten. Sie erfuhr außerdem, daß die Maharani wie ihr Mann Gericht hielt, allerdings nur für Frauen.
    Das war für Olivia wieder eine Überraschung. Sie konnte sich nicht vorstellen, daß diese zarte, inmitten von Luxus aufgewachsene Frau Recht sprach. Ebensowenig konnte sie glauben, daß die Maharani ein feindliches Heer zurückschlagen würde. »Und worüber beklagen sich die Frauen?«
    Die kohlschwarzen Augen funkelten belustigt. »Über Dinge, über die sich Frauen überall beklagen – hauptsächlich über ihre Ehemänner. Der eine gibt seiner Frau nicht genügend Haushaltsgeld, ein anderer trinkt und schlägt Frau und Kinder, ein dritter ist faul und vernachlässigt seine Felder. Bei strafbaren Handlungen ist natürlich der Maharadscha zuständig. Ich versuche nur, die Frauen zu ermutigen, damit sie selbstbewußter werden und ihre Rechte verteidigen.«
    Die Maharani setzte Olivia in Erstaunen. Es war ein großer Triumph, in einer völlig von Männern beherrschten Gesellschaft so unabhängig und entschlossen zu sein. Offenbar unterstützte der Maharadscha sie in diesem Bemühen. Olivia dachte peinlich berührt daran, wie leichtfertig ihr Onkel Arvind Singh als einen Mann abgetan hatte, der sich von Gefälligkeiten blenden ließ. Der Maharadscha hatte den kostbaren ›Tand aus Europa‹, den sie ihm in Sir Joshuas Auftrag mitgebracht hatte (in Jai Raventhornes Worten Bestechungsgeschenke!), kaum eines Blickes gewürdigt. Wenn Sir Joshua wirklich glaubte, durch Schmiergelder an die Kohle von Kirtinagar zu kommen, dann würde dieser Plan sich keinesfalls verwirklichen.
    Später am Nachmittag, als die kurzweilige Besichtigung der Garderobe der Maharani vorüber und die ernsthafte Diskussion über die gesellschaftliche Stellung der Frauen in Indien beendet war, spürte Olivia zum ersten Mal, wie die Haltung ihrer Gastgeberin sich unmerklich veränderte. Es fiel ihr schwer zu sagen, wann diese Veränderung einsetzte, aber es schien, als sei plötzlich eine unsichtbare Barriere zwischen ihnen durchbrochen. Der Tee wurde sehr englisch als Picknick am See unter einem Baum mit prächtigen kleinen, gelben Blüten genommen. Sie saßen auf einer grobgewebten Baumwolldecke, stützten sich auf üppige Polster und knabberten gebutterte Teebrötchen, Napfkuchen und hauchdünne, mit Hühnerfleisch belegte Brotscheiben. Während die Maharani blaßgoldenen Tee aus einer hauchdünnen Kanne eingoß, sagte sie unvermittelt: »Wir gehören sehr unterschiedlichen Kulturen an, aber trotzdem stimmen wir in so vielen Dingen überein. Ich glaube, wir sind wie dazu geschaffen, Freundinnen zu sein. Darf ich Sie also Olivia nennen?«
    Olivia verbarg ihr Erstaunen, freute sich jedoch außerordentlich. Sie hatte das seltsame Gefühl, eine Prüfung bestanden zu haben, obwohl sie nicht ahnte, um welche Art Prüfung es sich handeln mochte.
    »O bitte, ja«, rief sie und meinte es völlig aufrichtig, »ich bin es nicht gewohnt, anders genannt zu werden, und in Amerika geht es ohnehin sehr zwanglos zu.«
    »Gut, dann müssen Sie mich Kinjal nennen.« Sie erklärte, ›Kinjal‹ sei eine andere Bezeichnung für Lotus, der Name hätte nicht passender sein können. »Nach dem Tee müssen Sie mir erlauben, daß ich Ihnen meinen Garten mit den Heilpflanzen zeige, auf den ich unbescheidenerweise stolz bin, damit ich mein Können als Gärtnerin unter Beweis stellen kann.«
    Während sie über gepflegte Gartenwege schlenderten, sprach die Maharani von Ayurweda, der alten, geheimen, indischen Heilmethode, die auf Kräutern basierte. Um sie herum stolzierten Pfauen über den Rasen. Sie waren so schön, daß man ihnen die unnahbare Überheblichkeit gerne verzieh. Eine heitere Ruhe lag über allem, eine Harmonie, die Olivia nur als vollkommen bezeichnen konnte. Alles hier – die Menschen, die Pflanzen, ja die Luft und die Natur – entsprang derselben Kultur. Alles paßte, alles schien wichtig zu sein. Wie sehr unterschied sich Kirtinagar von Kalkutta, dem so viel Fremdes aufgezwungen worden war!
    Vor einem kleinen, schlichten weißgetünchten Tempel kauerten zwei Frauen unter einem ausladenden Banyanbaum mit biegsamen Luftwurzeln. Mit geschickten Fingern flochten sie Girlanden aus orangenen Ringelblumen und legten sie wie Schlangen um den Rand einer großen, runden Messingplatte. »Sie bereiten die Gaben für mein Abendritual vor«, erklärte Kinjal, als sie Olivias

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