Wer Liebe verspricht
kommen. Der Überbringer dieser Nachricht wird sie dorthin begleiten.
Das war alles.
Olivia erschrak. »Ist mein Onkel krank?« fragte sie und reichte Freddie die Nachricht. Der Inder schüttelte den Kopf. Freddie las die drei Zeilen und steckte das Blatt wieder in den Umschlag. Dann fragte er stockend den Mann auf Hindustani etwas, ohne ihm jedoch Genaueres entlocken zu können, denn der Inder schüttelte nur immer wieder schweigend den Kopf.
»Ich mache mich besser auf den Weg, Freddie. Es muß etwas Dringendes sein, sonst würde mich mein Onkel nicht auf diese Weise zu sich rufen lassen – noch dazu auf sein Schiff.«
»Ja, natürlich.« Er sah sie traurig an und fragte: »Sollte ich Sie vielleicht begleiten? Ich könnte Ihnen unter Umständen helfen …«, fügte er unsicher hinzu.
Olivia zögerte. Sie dachte an die Meinung ihres Onkels über Freddie. Es war sicher unklug, ihn mit in das hineinzuziehen, was auch immer geschehen sein mochte. Sie schüttelte den Kopf. »Vielen Dank für das Angebot, Freddie, aber ich glaube, ich gehe lieber allein, es könnte … etwas Persönliches sein.«
Er fügte sich in seiner gutmütigen Art. »Also gut – dann bis morgen. Zur selben Zeit und am selben Ort?«
Olivia seufzte. »Ja … natürlich.«
Der junge Inder ritt mit ihr zum Flußufer. Dort wartete ein Dhoolie- Boot. Beim Näherkommen kam ein anderer Inder unter den Bäumen hervor, nahm ihr das Pferd ab und ein dritter half ihr ins Boot. Die Daffodil war erst vor ein paar Tagen aus England zurückgekehrt und ankerte am anderen Ufer. Sie wurde entladen und für die Rückreise in zwei Wochen vorbereitet. Während sie schweigend den Hooghly überquerten, überschlugen sich Olivias Gedanken. Was für ein neues Unglück mochte der Grund für diese dringende Nachricht am frühen Morgen sein? Das Ruderboot glitt langsam und schaukelnd zwischen den hohen, verstreut ankernden Schiffen hindurch. Olivia dachte plötzlich an Freddies leise Worte, als er ihr beim Aufsitzen geholfen hatte: »Auf meine Weise liebe ich Sie, Olivia.« Sie seufzte tief. Freddie war irgendwie grundanständig.
Sie schienen endlos zwischen Schonern, Kuttern, Kriegsschiffen, Fregatten der Königlichen Marine und Schaluppen hindurchzufahren, bis das Ruderboot am Ziel angelangt war. Vor ihnen ragte ein hoher Schiffsrumpf aus dem dunstigen Fluß auf, und das kleine Dhoolie- Boot glitt längsseits. Eine Strickleiter mit Holzstufen wurde heruntergelassen und baumelte vor ihnen. Zwei Laskars hielten die Leiter und halfen Olivia beim Hinaufklettern. Zum ersten Mal seit ihrer Ankunft in Indien betrat sie wieder ein Schiff. Trotz der beunruhigenden Umstände fand sie das Abenteuer aufregend. Der Geruch von Wasser, von Schmierfett und Schweiß, Jute, Scheuerstein und Meersalz, der alle großen Schiffe umgab, weckte das Fernweh und die Lust auf Abenteuer.
Auf halbem Weg blendete sie plötzlich ein heller Sonnenstrahl, der den Dunst zerriß und sich explosionsartig auf glänzendem Metall brach. Olivia schloß instinktiv die Augen. Als sie die Augen wieder aufschlug, drang ihr ins Bewußtsein, was sie am Bug des Schiffes gesehen hatte.
Es war ein goldener Dreizack.
*
»Sie haben mich zu Tode erschreckt. Ich dachte, meinem Onkel sei etwas Schreckliches zugestoßen!« Olivia war empört.
»Leider nein.« Jai Raventhorne hielt noch immer ihre Hand, mit der er sie an Bord gezogen hatte, und lächelte sarkastisch. »Soweit mir bekannt ist, liegt Ihr Onkel gesund im Bett und schläft.«
Sie entzog ihm heftig die Hand. »Sie haben kein Recht, mir diesen bösen Streich zu spielen!«
»Ich habe ebenso das Recht dazu, wie Sie zum Beispiel das Recht haben, mit diesem Dummkopf durch die Gegend zu reiten. Müssen Sie aus Ihrer Jagd nach einem Ehemann wirklich ein so lächerliches Schauspiel machen?«
Olivia atmete heftig. Sie lehnte sich wütend gegen die Reling und verschränkte die Arme. »Weshalb sollten Sie sich um ein lächerliches Schauspiel, wie Sie es nennen, Gedanken machen, wenn ich Sie nicht darum gebeten habe? Offensichtlich beherrschen Sie das Spionieren, auf das Sie so stolz sind, weit besser als die Grundregeln der gesellschaftlichen Formen!«
» Spionieren, daß ich nicht lache!« Er hob die Arme, drehte sich auf dem Absatz um und ging beleidigt davon. »Es gehört nicht viel dazu, Ihre marktschreierischen Machenschaften zu verfolgen«, rief er ihr über die Schulter zu.
»Und was kümmern Sie meine Machenschaften, wenn ich fragen darf?« Sie
Weitere Kostenlose Bücher