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Wer Liebe verspricht

Wer Liebe verspricht

Titel: Wer Liebe verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Ryman
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folgte ihm.
    Er blieb stehen, drehte sich und sah sie finster an. »Sie haben recht. Sie müßten mich nicht kümmern, aber sie tun es!« stieß er ärgerlich hervor. »Obwohl ich nicht weiß, welche Sünden ich begangen haben mag, um so bestraft zu werden …«
    »Sünden?«
    Er holte tief Luft und fuhr sich ungeduldig mit den Fingern durch die Haare. »Wollen Sie die Zeit verschwenden und sich mit mir streiten, oder wollen Sie mein Schiff sehen?«
    Plötzlich fiel es Olivia wieder ein: Sie stand an Deck der Ganga ! Ihr Zorn ließ nach. Ein Traum war in Erfüllung gegangen, und wieder überflutete sie dieses prickelnde Hochgefühl: Sie war tatsächlich mit Jai Raventhorne auf der Ganga ! Sie errötete und murmelte: »Natürlich will ich Ihr Schiff sehen.«
    »Das habe ich mir gedacht. Als erste Besucherin an Bord sollten Sie sich geehrt fühlen. Die Ganga ist erst um Mitternacht vor Anker gegangen!«
    »Ich fühle mich geehrt«, erklärte Olivia bereitwillig, während sie Seite an Seite über das Deck gingen, und sie sich mit großem Interesse umsah, »obwohl ich keine Ahnung habe, weshalb gerade mir diese Ehre zuteil wird.«
    »Wirklich nicht?« fragte er wieder ungnädig und ging schneller, »für jemanden, der so intelligent ist wie Sie, finde ich diese Bemerkung überraschend dumm.«
    Olivia schüttelte nur den Kopf. Er war nicht gerade in bester Laune. Aber sie wollte ihn nicht noch mehr reizen. Die unerwartete Nähe, seine gewagte List und das Risiko, das sie mit ihrer Anwesenheit auf dem Schiff einging, nahmen ihr die Lust an einer Auseinandersetzung. Außerdem gab es soviel Aufregendes zu sehen. »Das ist also der umgebaute Klipper, der die Gemüter in der Stadt erregt!«
    Er brummte. »Ich weiß nicht, warum. Mir hat er vorher sehr viel besser gefallen. Also, möchten Sie frühstücken oder zuerst das Schiff sehen?«
    Er hatte offenbar nicht im geringsten daran gezweifelt, daß sie kommen würde, und sogar ein Frühstück vorbereitet. »Ich würde gerne das Schiff sehen«, sagte sie. »Ich möchte nicht, daß Sie den Eindruck haben, ich wüßte die Ehre nicht zu schätzen.«
    Er brummte wieder.
    Trotz der schlechten Laune war sein Besitzerstolz unverkennbar – verständlicherweise. Die Ganga war ein außergewöhnlich elegantes Schiff – jede Einzelheit trug zu ihrer Schnittigkeit, Schönheit, Schnelligkeit und Kraft bei. Hier sah man nichts von dem häßlichen ›Dorschbug und Heringsheck‹ der ›Teepötte‹. Der geschwungene Vordersteven hob den Bug weit über die Wasserlinie, und an den hohen Masten hing ein Segel über dem anderen (insgesamt dreiunddreißig, erklärte er ihr). Jetzt waren sie sorgfältig zusammengerollt und vertäut. Das Schiff war mit seinen 315 Fuß erstaunlich groß. Den weiß schimmernden Rumpf zierten vergoldete Schnitzereien, das Holz – Mahagoni – glänzte ebenso wie das Messing. Während sie auf dem Achterdeck standen, wurden die langen Decks aus hellem Kiefernholz von fleißigen Laskars mit Bürsten und vielen Eimern Wasser noch makelloser geschrubbt. Alle achtundzwanzig blitzenden Geschütze der Ganga konnten in Abständen von einer halben Minute feuern – eine überragende ballistische Leistung, wie Olivia mit verständlichem Stolz zu hören bekam.
    Raventhorne strich liebevoll über eines der großen Rohre. »Es ist reiner Selbstmord, sich ohne Geschütze auf das Meer hinaus zu wagen. Es gibt dort ebenso viele Piraten wie Verbrecherbanden an Land. Wie Sie sehen, ist die Ganga ein ernstzunehmender Gegner. Das Schiff ist auf alle Eventualitäten vorbereitet.« Während er ihr die Vorzüge seines Klippers erläuterte, besserte sich seine Laune sichtlich. Er lächelte sogar.
    Olivia empfand ein seltenes Glücksgefühl und vergaß ihre Nervosität, als sie ihm die schmale Treppe nach unten folgte. Die Aussicht, auch nur eine Stunde mit ihm zusammenzusein, war berauschend, und die riskante Situation verstärkte eher ihre Freude, als sie zu beeinträchtigen. Sein Stimmungsumschwung machte sie kühn, und in Erinnerung an Estelles Bemerkungen sagte sie: »Wie ich höre, war auf Ihren Kopf einmal eine Belohnung ausgesetzt …«
    »Einmal? Das wäre zu schön, um wahr zu sein! Die Chinesen setzen je nach Wetterlage auf die meisten Ausländer ein Kopfgeld. Aber das ist harmlos. Die Engländer setzen für Köpfe eine Belohnung aus, weil sie glauben, sie machen sich gut zwischen ihren Jagdtrophäen an der Wand. Ich weiß zwar nicht, was mein Kopf wert ist, aber sie hätten

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